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Wohin das Herz uns trägt

Wohin das Herz uns trägt

Titel: Wohin das Herz uns trägt
Autoren: Kristin Hannah
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zu sagen, die Ihnen die Schuld geben an ...«
    »Werden andere Eltern Ihnen überhaupt noch ihre Kinder anvertrauen, nachdem ...«
    »Was halten Sie von den Berichten, dass man bei der Bezirksstaatsanwaltschaft in Los Angeles Ihren Namen aus dem Therapeutenregister gestrichen hat?«
    Endlich sprang Frank in die Bresche, trat vor Julia und ergriff schützend ihre Hand. »Die Klage gegen meine Mandantin ist soeben abgewiesen worden ...«
    »Wegen eines Verfahrensfehlers!«, schrie jemand.
    Während sich nun alle auf Frank konzentrierten, löste Julia sich aus der Menge, schlich sich unbemerkt nach hinten und rannte zur Tür. Sie wusste, wie viel Wert Frank darauf legte, dass sie eine Erklärung abgab, aber das war ihr momentan ziemlich gleichgültig. Sie fühlte keinen Triumph, sie wollte nur fort, raus aus diesem Gebäude ... zurück ins wirkliche Leben.
    An der Tür standen die Zunigas und versperrten ihr den Weg. Sie waren blass und schienen um Jahre gealtert, als hätte der Kummer sie ihrer Lebenskraft beraubt.
    Mrs Zuniga sah Julia mit Tränen in den Augen an.
    »Amber hat Sie beide geliebt«, sagte Julia leise, wohl wissend, dass sie für diese Leute letztlich nichts tun konnte. »Und Sie waren ihr gute Eltern. Lassen Sie sich von niemandem etwas anderes einreden. Amber war krank. Ich wünschte ...«
    »Sagen Sie das nicht«, fiel ihr Mr Zuniga ins Wort. »Wünschen tut am meisten weh.« Dann legte er den Arm um seine Frau und zog sie an sich.
    Julia zermarterte sich den Kopf nach einem tröstlichen Satz, aber da ihr in dem unbehaglichen Schweigen nichts anderes einfiel als: »Es tut mir leid« - was sie schon unzählige Male beteuert hatte stammelte sie nur: »Auf Wiedersehen«, presste sich die Handtasche an die Brust, drängte sich an den beiden vorbei und trat hinaus ins Freie.
    Die Welt außerhalb des Gerichtsgebäudes war trüb und trostlos. Eine dicke Dunstschicht bedeckte den Himmel, verschleierte die Sonne und passte insofern genau zu Julias Stimmung.
    So rasch sie konnte, stieg sie in ihr Auto und fuhr davon. Während sie sich in den Verkehr einordnete, fragte sie sich, ob Frank überhaupt merkte, dass sie nicht mehr da war. Für ihn war das alles ein Spiel, wenn auch mit hohem Einsatz, und als Tagessieger war er sicherlich in Hochstimmung. An die Opfer und ihre Familien erinnerte er sich wahrscheinlich erst wieder heute Abend, nachdem er es sich mit einem Scotch on the Rocks gemütlich gemacht hatte. Dann dachte er bestimmt auch an sie. Womöglich überlegte er sogar, was aus einer Psychologin werden würde, die in großem Stil versagt und ihren Ruf verspielt hatte. Aber sicher grübelte er darüber nicht allzu lange - das war zu gefährlich.
    Auch sie musste die Angelegenheit hinter sich lassen. Heute Abend würde sie allein in ihrem Bett liegen, der Brandung lauschen, die klang wie ihr eigener Herzschlag, und sich nicht zum ersten Mal bemühen, ihren Kummer und ihre Schuldgefühle zu überwinden. Aber sie musste doch herausfinden, welchen Hinweis sie übersehen hatte, welches Signal ihr entgangen war! Sicher, die Erinnerung würde wehtun, am Ende würde der Schmerz sie allerdings zu einer besseren Therapeutin machen. Und dann, um sieben Uhr morgens, würde sie sich anziehen und wieder zur Arbeit gehen.
    Anderen Menschen helfen.
    So würde sie die schwere Zeit überstehen.
    * * *
    Mädchen kauert am Höhlenrand und sieht zu, wie das Wasser vom Himmel fällt. Eigentlich möchte sie eine von den leeren Dosen in die Hand nehmen, die überall herumliegen, und sie vielleicht noch mal innen auslecken, aber das hat sie schon zu oft getan. Alles Essbare ist weg. So lange schon, dass sie die Monde nicht mehr zählen kann. Hinter ihr sind die Wölfe unruhig, hungrig.
    Der Himmel grummelt und brüllt. Die Bäume zittern vor Angst, und noch immer tropft das Wasser herunter.
    Sie schläft ein.
    Plötzlich schreckt sie auf, sieht sich um, wittert die Luft. Ein seltsamer Geruch durchzieht die Dunkelheit. Sie sollte sich lieber in das tiefe schwarze Loch verkriechen, aber sie kann sich nicht richtig bewegen. Ihr Magen ist so eng und leer, dass es wehtut.
    Das Wasser fällt nicht mehr so heftig, sondern ist sanft geworden. Wenn sie doch nur die Sonne sehen könnte. Bei Sonnenschein ist das Leben besser. In der Höhle ist es immer so dunkel.
    Ein Zweig knackt.
    Dann noch einer.
    Sie wird stocksteif und versucht sich vor der Höhlenwand unsichtbar zu machen, ein Schatten, flach und regungslos. Sie weiß, wie wichtig es
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