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Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten
Autoren: Jeanine Krock
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und ich hatte mir angewöhnt, mich zu solchen Gelegenheiten ein bisschen zurechtzumachen , wie es die einheimischen Frauen genannt hätten.
    Alsdair stammte von der Insel Harris, und vermutlich jeder an der Westküste hätte bestätigt, dass er ein begnadeter Seanchaidh war. Es gab nur noch wenige dieser Geschichtenerzähler, die sich wie er auf die alte Tradition verstanden.
    Heutzutage, erklärte er zu Beginn des Abends, könne man alles nachlesen, was von der ereignisreichen Geschichte Schottlands noch bekannt war, aber früher habe jeder Clanchief, der etwas auf sich hielt, einen eigenen Chronisten beschäftigt, der aus dem Stegreif die komplizierten Familienverhältnisse der Clans, ihre Schlachten und Siege bis in die Frühzeit der keltischen Besiedlung hätte wiedergeben können.
    Alsdair Mackenzie und seine Vorfahren blickten auf eine lange Tradition zurück. Sie stammten aus dieser Gegend und retteten nicht mehr als ihr nacktes Leben auf die Hebrideninsel Harris, als der Clan der MacCoinnaichs, der zu den Mackenzies gehörte, verfolgt und ausgelöscht worden war.
    Jetzt, mitten in der Saison, war das Sithean Inn an den Wochenenden meist ausgebucht, und besonders die amerikanischen Touristen liebten es, dem alten Mann zuzuhören, wenn er vor dem knisternden Kamin von Clanstreitigkeiten, entschlossenen Kriegern und zauberhaften Feen erzählte.
    Als ich die Tür zum Pub vorsichtig öffnete, hatte er gerade eine Geschichte beendet. Ich suchte mir einen freien Platz in seiner Nähe und wartete ebenso gespannt wie die anderen Gäste auf die nächste Story.

    Alsdair nahm einen Schluck von dem frisch gezapften Ale, das die Kellnerin Minca, ein Mädchen aus dem Dorf, wie ich inzwischen wusste, lächelnd vor ihm abstellte. Er wischte sich mit dem Handrücken über seinen Mund und begann zu erzählen:
    »Der junge Chief Alan Dubh MacCoinnaich, der Gleanngrianach selbst, trug seinen Beinamen der Dunkle nicht umsonst. Seinen jüngeren Geschwistern war die Familienähnlichkeit mit dem mächtigen Vater und vielen Clansleuten deutlich in die stolzen Gesichter geschrieben, ihm aber nicht. Wie die meisten MacCoinnaichs waren die Brüder von kräftiger Statur, und gewelltes rotblondes Haar floss üppig über ihre breiten Schultern. Die Männer kannte man als prächtige Schwertkämpfer, und doch wirkten sie nahezu plump im Vergleich zu ihrem Bruder, der ihnen zwar in Körperhöhe und Ausdauer um nichts nachstand, aber eher einem Weidenzweig glich, wenn er im Kampf geschmeidig und siegreich das Schwert führte. Seine Augen leuchteten dabei kalt und erbarmungslos wie ein eisiger Wintersturm, und manch einer hielt ihn für ein Wechselbalg, ein Kind der Sìdhichean oder Sidhe. Diese Feen, das weiß man noch heute, kommen zuweilen aus ihren Hügeln in den Highlands und tauschen in dunklen Nächten ihre Nachkommen mit Menschenkindern aus, um die Art der Sterblichen zu lernen oder aus bloßem Schabernack und Freude am Leid der betrogenen Eltern.
    Alans Mutter indes äußerte niemals einen Zweifel an der Abstammung ihres Sohns. Sie schwor, er wäre ihren Verwandten daheim in Irland wie aus dem Gesicht geschnitten, und irgendwo im Haus gab es wohl auch einige Miniaturen ihrer Familie, denn der Chief bekräftigte ihre Worte und gab an, die Iren auf seinen Reisen schon selbst getroffen zu haben.

    Die Frau wusste seine Loyalität zu schätzen und war ihm stets dankbar dafür. Ihr Leben war recht turbulent gewesen. Nach dem Tod ihres ersten Ehemanns, einem leichtsinnigen Spekulanten mit wenig Geld, hatte die schöne Irin nämlich in einem holländischen Handelskontor festgesessen.
    MacCoinnaich, der erfolgreich in die dort ansässige Ostindienflotte investierte und gelegentlich auf den Kontinent kam, wie manche hier das europäische Festland auch heute noch nennen, hatte nach den Geschäften sehen wollen und sich sofort in die zierliche Witwe verliebt. Ihre feengleichen Züge, die schräg gestellten Augen und das rabenschwarze Haar faszinierte auch andere Männer, und so konnte der hünenhafte Schotte sein Glück kaum fassen, als sie seinen Antrag annahm und ihm in die raue Heimat folgte, wo sie vor Ablauf eines Jahres Alan zur Welt brachte. Wenige Winter darauf starb sie, wie so viele Frauen ihrer Zeit, nach einer Fehlgeburt.
    Trotz seiner Trauer heiratete der Chief erneut. Dieses Mal freite er ein kräftiges Mädchen aus einem befreundeten Clan. Nicht aus Liebe, sondern weil er weitere Nachkommen brauchte um das Fortbestehen der Familie
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