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Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten
Autoren: Jeanine Krock
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nach dem Rechten sah. »Wenn es dort nur nicht immerzu regnen würde.«
    Hat die eine Ahnung. Jede Form von Regen wäre mir im Augenblick lieber gewesen als diese undurchsichtige Suppe.
»Ich bin nicht aus Zucker«, hatte ich entgegnet, und diese knappe Antwort bewies, wie angespannt meine Nerven waren. Normalerweise hätte ich versucht, sie vom Gegenteil zu überzeugen oder, noch wahrscheinlicher, ihr einfach zugestimmt, um meine Ruhe zu haben. Stattdessen drückte ich Frau Petersen den Schlüssel in die Hand, griff meinen Koffer und erinnerte mich erst in letzter Minute an einen Rest von Manieren und rief über die Schulter: »Danke fürs Blumengießen«, bevor ich in den Aufzug floh.
    Als die Türen zusammenglitten und nur noch ein kleiner Streifen der Außenwelt zu sehen war, lehnte ich mich erleichtert an die Metallwand. Endlich allein.
    Plötzlich tauchte ein Gespenst vor mir auf. Mit einem Schlag war ich aus meinen Erinnerungen gerissen und zurück auf dem einsamen Bahnsteig. Erschrocken sah ich zu einem milchigen Heiligenschein hinauf, der über dem Eingang des Bahnhofsgebäudes glomm. Eine Laterne, kein Geistwesen. Erleichtert wollte ich weitergehen, doch in diesem Augenblick öffnete sich der Boden unter mir, und ich trat ins Nichts. Ich schrie und schämte ich mich sofort für diesen würdelosen Laut. Haltsuchend ruderte ich mit den Armen, griff zunächst ins Leere und fand schließlich doch etwas, an dem ich mich festklammern konnte. Allerdings entpuppte es sich schnell als der Ärmel eines Mantels aus edlem Tuch.
    Kräftige Hände legten sich um meine Taille, ich wurde aufgefangen und hatte Sekunden später wieder festen Boden unter den Füßen. Erstaunt fuhr ich herum und blickte an einer Reihe von Mantelknöpfen entlang hinauf in das Gesicht eines Engels. Das heißt, falls es im Himmel erlaubt war, so unverschämt attraktiv auszusehen, dass fremde Frauen durch bloßes Starren zu willenlosen Opfern ihrer eigenen erotischen Fantasien
wurden. Ganz gewiss fügte sich dieser Mann problemlos in eine lange Reihe historischer Herzensbrecher ein.
    »Sie sollten aufpassen, wohin Sie treten«, warnte mein Retter, und seine tiefe Stimme löste ein seltsames Flattern meiner Nerven aus, die plötzlich alle irgendwo in der Tiefe meines Unterleibs zu enden schienen.
    »Vielen Dank für den Hinweis. Darauf wäre ich von selbst gar nicht gekommen.« Stress brachte nicht unbedingt meine liebenswürdigste Seite zum Vorschein. Und die Selbstverständlichkeit, mit der er nach meinem schweren Koffer griff, als wöge er nichts, und mich am Ellbogen wortlos zum menschenleeren Bahnhofsvorplatz dirigierte, trug nichts zu meiner Entspannung bei.
    »Werden Sie abgeholt?« Er stellte den Koffer auf einer hölzernen Sitzbank ab.
    »Ja, wahrscheinlich haben sich meine Freunde wegen des Wetters verspätet. Ich komme schon zurecht, danke.«
    Der Fremde sah aus, als wollte er widersprechen, dann zuckte er mit den Schultern. »Gut«, entgegnete er, drehte sich um und verschwand so lautlos, wie er gekommen war.
    Überrascht starrte ich hinter ihm her. Ich hatte höflichen Protest erwartet und das Angebot, mit mir zu warten. Aber offenbar war es dem Kerl vollkommen gleichgültig, ob ich in dieser unwirtlichen Einsamkeit erfrieren oder vom Nebel aufgeweicht werden würde. So sieht also die viel gerühmte Gastfreundschaft der Schotten aus. Auch wenn man den landestypischen Akzent kaum herausgehört hatte, so ganz konnte mein unfreundlicher Retter seine wahre Herkunft nicht verleugnen. Die Erinnerung daran, wie er das R rollte, ließ mich erneut erschaudern und wünschen, er wäre nicht fortgegangen. Du bist überreizt , wies ich mich zurecht.

    In diesem Augenblick brummte ein Motor, und kurz darauf stand der nächste Prachtkerl vor mir. »Caitlynn hätte mich wirklich vorwarnen können, dass die Männer hier alle aussehen, als wären sie einem dieser romantischen Romane entstiegen. «
    Der Mann musste mein Murmeln wohl gehört haben. Fragend hob er eine Augenbraue, bevor er feststellte: »Du bist Johanna.« Ich nickte etwas verlegen, und er fuhr fort: »Es tut mir leid, dass du warten musstest …« Er machte eine entschuldigende Geste in den unvermindert dichten Nebel. »Aber das Wetter …«
    »Oh, das ist schon in Ordnung. Der Zug hatte sowieso Verspätung. Iain, nehme ich an?« Das also war Caitlynns neuer Freund.
    Er reichte mir eine große, warme Hand: »Herzlich willkommen in Ghàidhealtachd .«
    Was mich daran erinnerte, dass in
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