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Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten
Autoren: Jeanine Krock
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diesem Teil Schottlands einige Menschen noch Gälisch sprachen.
    Iain lud meinen schweren Koffer und die große Reisetasche in den Kofferraum und grinste, als ich die Tür öffnete, um einzusteigen. »Du möchtest fahren?«
    »Um Himmels willen, nein.« Zu spät erinnerte ich mich, dass hier Linksverkehr herrschte und die Fahrzeuge entsprechend seitenverkehrt gebaut waren. Lachend umrundete ich den Wagen und stieg auf der anderen Seite ein.
    Innen war es angenehm warm, und die Anspannung, die mich seit der Begegnung mit dem dunkelhaarigen Fremden befallen hatte, ließ langsam nach. Der Wagen kroch eine gewundene Straße hinab, die so schmal war, dass ich insgeheim hoffte, niemand außer uns würde so verrückt sein, die Strecke bei dem Wetter zu fahren.

    Iain allerdings wirkte unbekümmert. Er erzählte mit angenehmer Stimme, in der ein neuer, schwer einzuordnender Akzent mitschwang, dass Caitlynn ganz geknickt gewesen sei, mich wegen des Wetters nicht selbst abholen zu können, aber er kenne sich hier einfach besser aus und habe sie auf keinen Fall fahren lassen wollen. Zudem solle ich nicht enttäuscht sein, falls ich während der Zugreise wenig von der Gegend gesehen hätte. Für morgen sei ein sonniger Tag vorhergesagt, und dort, wo sie lebten, gäbe es auch genügend Landschaft, fügte er verschmitzt hinzu.
    Ich mochte ihn auf Anhieb. Mit seiner ruhigen Gelassenheit schien er der ideale Gefährte für meine quirlige Freundin zu sein.
    Nach etwa einer Stunde Fahrt durch eine Landschaft, die ihre legendäre Schönheit heute nicht preisgab, erreichten wir ihren gemeinsamen Gasthof Sithean Inn. Gasthof war ein bescheidenes Wort für dieses Gebäude, das eher wie ein viktorianischer Landsitz aussah und jedem stolzen Clanchef als Wohnsitz zur Ehre gereicht hätte. Bisher hatte ich nicht herausfinden können, ob Iain das großzügige Estate geerbt oder gekauft hatte. Im Internet fanden sich nur wenige Hinweise auf dessen Existenz, die zudem noch recht widersprüchlich klangen, und Caitlynn hatte nichts dazu beigetragen, meine Neugier zu befriedigen.
    Wie auch immer – im Licht der dezent unter Buschwerk verborgenen Strahler sah es zauberhaft, aber auch ein bisschen unheimlich aus. Wie von Iain versprochen, hatte sich der Nebel hier, in der Nähe der Küste, jedoch gelichtet, und es hingen nur noch zarte Schleier wie vorsichtig abwartende Geister in den Efeuranken, die sich zwischen den Türmchen, Erkern und zahlreichen Kaminen an der Fassade hinaufwanden.

    Meine Schulfreundin Caitlynn stürzte im selben Moment aus dem Haus, in dem der Wagen knirschend auf dem Kiesweg zum Stehen kam. Sie zerrte mich praktisch aus dem Auto, umarmte mich, und ehe ich noch etwas sagen konnte, rief sie Iain zu: »Bringst du das Gepäck hinauf?« Dabei zog sie mich zum Haus, ohne seine Antwort abzuwarten. »Und du hast deinen Verlobten tatsächlich dabei erwischt, wie er am helllichten Tag diese Frau … Auf seinem Schreibtisch? Wirklich? «, flüsterte sie so laut, dass jeder im Umkreis von fünfzig Metern ihre Worte hätte hören können.
    Glücklicherweise war der Hof – soweit ich das sehen konnte – mit Ausnahme von uns menschenleer. Iain ließ sich nicht anmerken, ob er sie gehört hatte, als er an uns vorbei zum Haus ging. Wie ich meine Freundin kannte, war er vermutlich ohnehin längst über alle Details aus meinem traurigen Liebesleben informiert, die ich mit ihr geteilt hatte.
    Ich fürchtete schon, Caitlynn würde nach den Einzelheiten der entwürdigenden Szene fragen, die mich letztendlich veranlasst hatte, hierherzukommen, um in Ruhe und Abgeschiedenheit meine Wunden zu lecken und einige grundsätzliche Dinge in meinem bisherigen Leben zu überdenken.
    Doch sie plapperte bereits weiter: »Wie ordinär. Deine Hände sind ganz kalt.« Resolut schob sie mich durch eine dunkle Holztür, die Iain uns aufhielt. »Hattest du eine gute Fahrt? Dieser verdammte Nebel, du brauchst einen Drink.« Damit stieß sie eine weitere Tür auf. Warme Luft und Stimmengemurmel schlugen uns entgegen.
    Neugierig trat ich ein und schaute mich um. Das Pub wirkte einladend und sehr behaglich, obwohl – oder gerade weil – die Einrichtung sicher schon einige Generationen von Gästen gesehen hatte. Aus zahlreichen E-Mails meiner Freundin
wusste ich, dass sie viel Zeit darauf verwandt hatten, die Einrichtung alter Landgasthäuser im ganzen Land zu sichten und die besten Stücke aufzukaufen. Es musste ein Vermögen gekostet haben, aber der Effekt war
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