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Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten
Autoren: Jeanine Krock
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Normalerweise war ich gut im Erkennen von Akzenten, aber in Iains rollender Aussprache schwang etwas Fremdartiges mit, das ich immer noch vergeblich einzuordnen versuchte.
    Er zögerte einen Moment, als müsse er über seine Antwort nachdenken, bevor er sagte: » Aye , das bin ich.«
    Die Kellnerin erschien und tischte uns ein köstliches Abendessen
auf. Der ungewohnte Alkohol und das reichhaltige Mahl taten bald ihre Wirkung. Meine Augenlider wurden schwer, und ich unterdrückte ein Gähnen.
    Caitlynn bemerkte es und erhob sich: »Es war ein langer Tag. Möchtest du, dass ich dir dein Zimmer zeige?«
    Iain stand ebenfalls auf und verabschiedete sich damit, dass er noch ein paar Dinge zu erledigen habe. Kurz bevor er die Tür erreicht hatte, drehte er sich noch einmal um und sagte etwas auf Gälisch.
    Ich verstand nicht alles, denn sein Dialekt klang fremd in meinen Ohren, aber es hörte sich an, als habe er Caitlynn mitgeteilt, dass sie in seinen Augen ebenfalls äußerst bettreif wirkte. Die Männer an der Bar lachten und zwinkerten ihm zu. Der leichten Röte nach zu urteilen, die ihre helle Haut überzog, hatte ich ihn richtig verstanden.
    »Ich habe dir hier im Hauptgebäude ein Zimmer vorbereiten lassen«, sagte sie entschuldigend und ging mir voraus eine steile Treppe hinauf. »Es hat eine Kochnische, komplett mit Kühlschrank. Damit bist du unabhängig. Unser Wohnhaus ist leider noch nicht vollständig renoviert. Wahrscheinlich wird es niemals fertig«, fügte sie mit einem Blick an die Zimmerdecke hinzu. »Reparaturarbeiten können in den Highlands erschreckend langsam vonstattengehen, wenn man nicht bei jeder Gelegenheit selbst Hand anlegt. Momentan haben wir drüben nicht einmal warmes Wasser.«
    »Wirklich?« Bei dem Gedanken an die zahllosen eisigen Duschbäder, die wir während unserer gemeinsamen Schulzeit hatten ertragen müssen, schüttelte es mich. »Du hast also nicht vergessen, dass ich für eine heiße Dusche jederzeit bereit wäre, ein Verbrechen zu begehen.«
    »O nein, ich erinnere mich daran, du Nixe. Irgendwie hast
du es meistens geschafft, den Eisbädern zu entgehen.« Sie umarmte mich fest. »Ich freue mich so sehr, dass du gekommen bist. Du wirst sehen, wir werden viel Spaß haben, und dein unwürdiger Verlobter ist bald Geschichte.« Sie schloss eine Zimmertür auf und drückt mir den Schlüssel in die Hand.
    »Schön wär’s.«
    »Gute Nacht. Wir sehen uns morgen zum Frühstück.« Damit wirbelte sie herum, und kurz darauf hörte ich sie summend die Treppe hinabhopsen – zweifellos voller Vorfreude auf eine gemeinsame Nacht mit ihrem Freund , dachte ich ein wenig neidisch.
    Das Zimmer war wunderbar. Ein Teppichboden mit Tartanmuster mochte gewöhnungsbedürftig sein, doch mir gefiel er, und das breite Himmelbett wirkte sehr einladend. Die angekündigte Teeküche befand sich in einer Nische und fiel kaum auf, weil sich der gesamte Raum an einer Gebäudeecke befand und L-förmig geschnitten war. Vor einem Fenster stand ein kleiner Tisch mit zwei antiken Stühlen, an dem ich schreiben, aber auch essen konnte. Das Bad war äußerst luxuriös. Hier fühlte ich mich sofort wohl.
     
    Das Wichtigste war bald ausgepackt, und ich hatte mich nach einer heißen Dusche in das gemütliche Bett gekuschelt, als mir einfiel, dass meine Handtasche noch auf dem Sofa im Pub lag. Also würde ich wohl oder übel noch einmal hinuntergehen müssen. Rasch stieg ich aus dem Bett und lauschte. Es war nach Mitternacht, und die letzten Gäste waren inzwischen fort. Sollte ich dennoch jemandem begegnen, würde der bestimmt glauben, das hauseigene Gespenst zu sehen, dachte ich erheitert und tappte auf bloßen Füßen zur Zimmertür. Im
kaum beleuchteten Gang war niemand zu sehen, irgendwo tickte eine Uhr. Behutsam zog ich die Tür zu und ging zur Treppe. Plötzlich bewegte sich etwas hinter mir. Mein Herz tat einen Sprung, ich drehte mich um, machte einen Schritt zurück und – trat ins Leere. »O nein.«
    Kräftige Arme umfingen mich und hinderten mich daran, rücklings die Treppe hinabzufallen. Mein Puls raste noch schneller, als ich in die Augen desselben Mannes sah, der mich schon am Bahnsteig vor einem Sturz bewahrt hatte. Wenn er jetzt eine dumme Bemerkung macht, fange ich an zu schreien.
    Vielleicht hatte mein Retter mir angesehen, dass ich nicht zu Späßen aufgelegt war. Jedenfalls verzichtete er darauf, mich zusätzlich durch humorige Bemerkungen zu demütigen. Allerdings ließ er mich auch nicht los,
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