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Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten
Autoren: Jeanine Krock
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beeindruckend. Niemand würde vermuten, dass dieser Gastraum nicht schon von Generationen engagierter Wirtsleute liebevoll gepflegt und erhalten worden war.
    Rechts sah ich eine Reihe Fenster mit alten bleigefassten Scheiben. Davor ein gutes Dutzend Tische, mit Stühlen und Sesseln aus verschiedenen Epochen, was erstaunlicherweise dennoch sehr harmonisch auf mich wirkte. Gegenüber befand sich die lange, für Pubs so typische Bar, an der ein paar Leute standen, die sich jetzt neugierig nach uns umblickten.
    Caitlynn nickte ihnen freundlich zu und schob mich zum Kamin, in dem ein kleines Feuer glomm. Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich das Brennmaterial als Torf – das erklärte auch den eigentümlichen Geruch, der draußen in der Luft gehangen hatte und hier noch stärker geworden war.
    »Bei Nebel zieht der Kamin nicht gut«, entschuldigte sie sich. Tatsächlich war der Raum rauchgeschwängert, wofür man kaum den an einer Pfeife kauenden Gast allein verantwortlich machen konnte. Er saß bequem zurückgelehnt in einem Sessel und hatte nicht einmal aufgesehen, als wir hereingekommen waren. Die Männer an der Bar allerdings musterten uns interessiert, bis sie Caitlynn erkannten und sich mit einem gemurmelten Gruß wieder ihrem Ale und einem Würfelspiel zuwandten.
    Doch Caitlynn zog mich am Ärmel hinter sich her und stellte mich ihnen vor. »Meine beste Freundin. Sie wird eine Weile bei uns wohnen.«
    Ich war überrascht, denn ich hatte nicht damit gerechnet,
hier Einheimische anzutreffen. Iain und Caitlynn mussten beliebt sein, wenn die Leute den Weg vom etwas entfernt liegenden Dorf auf sich nahmen, um ihre Abende hier und nicht im zweifellos vorhandenen Dorf-Pub zu verbringen. Die Männer begrüßten mich respektvoll, und mir war klar, dass am nächsten Tag die gesamte Gemeinde von meiner Ankunft erfahren haben würde.
    Caitlynn wies auf das samtbezogenes Sofa neben dem Kamin. »Du musst Hunger haben. Wir werden dir etwas Leckeres machen, aber erst einmal gibt es einen Wee Dram , einen winzigen Schluck Whisky zum Aufwärmen.« Damit winkte sie das junge Mädchen herbei, das hinter der Bar hervorkam, und flüsterte ihr etwas zu.
    Die Kellnerin, der die Vorstellungsrunde entgangen war, warf mir einen neugierigen Blick zu, nickte dann und verschwand in der Küche, während ich in den weichen Polstern versank. Caitlynn entschuldigte sich. »Ich bin gleich wieder da.«
    Diese kurze Pause ließ mir Zeit, die Wanddekoration über dem steinernen Kamin in Ruhe zu betrachten. Zwischen zwei riesigen Schwertern hingen die blaue schottische Flagge mit dem weißen Kreuz, ein rundes Holzschild und eine Axt. Obwohl die Waffen sehr alt aussahen, wirkten sie beunruhigend gebrauchsbereit.
    Vor meinem geistigen Auge nahm eine kriegerische Szene Gestalt an. Das Bild des wilden Highlanders, der sein Breitschwert über dem Kopf kreisen ließ, bevor er mit einem markerschütternden Schrei auf seine Kontrahenten in roter Uniform zusprang, schien plötzlich so greifbar nahe, dass ich erschrocken zurückfuhr und mein Herz wie wild zu schlagen begann.

    Iain, der lautlos mit Whisky und einer Karaffe Wasser erschienen war, drückte mir wortlos mein Glas in die Hand, und für die Dauer eines Wimpernschlags glaubte ich, Verständnis in seinen Augen zu lesen. Aber das war natürlich Unsinn – die Reise hatte mich mehr erschöpft als angenommen, und meine Fantasie spielte mir einen Streich. Caitlynns Freund konnte unmöglich wissen, dass meine lebhafte Einbildungskraft wieder einmal mit mir durchgegangen war.
    Die goldgelbe Flüssigkeit hinterließ einen öligen Film auf dem Glas, und eine Flamme brannte sich ihren Weg in meinen Magen. Zurück blieben ein rauchiger Geschmack und der Duft von Honig und Sommerwiesen. »Wie alt ist dieser Whisky?«, fragte ich ehrfurchtsvoll und war nicht überrascht, als Iain mit seiner dunklen Stimme antwortete: »Vierundzwanzig Jahre.«
    Er küsste Caitlynn, die wieder hinter ihm aufgetaucht war, sanft auf den Mund, bevor er sich setzte. »Ein besonderes Getränk, für zwei besondere Frauen. Slàinte mhath. Zum Wohl. Willkommen in Schottland«, fügte er lächelnd hinzu.
    Für einen so großen Mann, ich schätzte ihn auf nahezu eins neunzig, glitt er ungewöhnlich elegant neben sie auf das Sofa. Ihre Augen leuchteten glücklich, und sie berührte zärtlich und wie zufällig seine Hand.
    »Du bist ein waschechter Schotte …« Ich ließ offen, ob es eine Feststellung oder eine Frage hatte sein sollen.
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