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Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten
Autoren: Jeanine Krock
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zu gewährleisten. Wie fragil ein menschliches Leben sein konnte, hatte sich nicht zuletzt durch den Tod seiner geliebten Irin wieder einmal gezeigt.
    Der Erstgeborene Alan, der seiner Mutter so ähnlich sah und in den ersten Jahren ebenso zart wirkte, wurde vom seinem Vater, dem Clanoberhaupt, mit eiserner Hand erzogen. Den kleinen Jungen behandelte man, im Gegensatz zu seinen Halbgeschwistern, nicht besser als die Kinder der einfachsten Pächter. Er litt sehr darunter und verstand auch nicht, warum die beiden Brüder, wie es damals üblich war, als Pflegekinder
in die Familien anderer Clans geschickt wurden, während er daheim bleiben musste.«
    Die Stimme des Seanchaidh wurde leiser und eindringlicher.
    »Eines Tages, so erzählte man sich, schlich der junge Erbe heimlich in das Arbeitszimmer des Vaters, um die prächtigen bunten Bilder in einem der in Leder gebundenen Bücher zu betrachten, die kürzlich eingetroffen waren. Da öffnete sich die Tür, und das Kind versteckte sich blitzschnell hinter einer mächtigen Truhe. Seine Stiefmutter, die mit dem Vater hereintrat, beklagte sich nicht zum ersten Mal über ihn: Alan ist so feindselig und verschlossen. Er hat überhaupt keine Manieren, und unsere Kinder fürchten sein aufbrausendes Temperament. Wenn er mich mit diesen kalten Augen anschaut, dann bleibt mir fast das Herz stehen. Ihre Stimme wurde schrill. Die Leute haben Recht. Du beherbergst ein Wechselbalg unter deinem Dach.
    Alans Vater, der es längst leid war, die ständigen Beschwerden seiner Frau anhören zu müssen, knurrte: Es ist mir egal, was die Dummköpfe reden. Und wenn er vom Teufel persönlich abstammt – Alan wird eines Tages der Chieftain sein. Gewöhnt Euch besser rechtzeitig daran.
    Mühsam unterdrückte der kleine Junge ein Schluchzen. Selbst der Vater schien sich nicht sicher über seine Herkunft zu sein, sonst hätte er doch bestimmt widersprochen. Alan wurde noch verschlossener. Seine Lehrer allerdings hatten wenig Mühe mit ihm, denn er begriff schnell. Und allmählich machte sich auch das tägliche Training bemerkbar, in dem der Capitane , der militärische Berater des Chiefs, ihn in die Geheimnisse des Schwertkampfs einweihte.
    Die Mädchen kicherten nun verlegen, wenn Alan, nur mit dem gegürteten Kilt bekleidet, durchs Dorf ging. Auch die
jungen Männer begannen, ihn mit anderen Augen zu sehen. Längst wagten sie es nicht mehr, den jungen Erben herauszufordern, seit er einen von ihnen im Zweikampf beinahe getötet hätte.
    Sein Gegner Ross MacCoinnaich hatte schon von Kindesbeinen an seinem Vater in der Schmiede geholfen. Er war bärenstark, gewann jeden Zweikampf und warf den Fels am Eingang des Tals weiter als jeder andere der Jungen. Ross war zwar gutmütig, aber nicht gerade das, was man unter einem sensiblen Menschen verstand. Deshalb bemerkte er das gefährliche Glitzern in Alans Augen nicht, als er ihn wieder einmal als Feenbalg bezeichnete. Der Kampf war kurz und endete damit, dass Alan Ross einen Dolch an die Kehle drückte, bis die ersten Tropfen Blut hervorquollen. Nimm das sofort zurück.
    Der mörderische Blick jagte dem Sohn des Schmieds einen entsetzlichen Schrecken ein, und er nickte vorsichtig.
    Alan ließ von ihm ab, sprang auf und blickte drohend in die Runde: Ich bringe jeden um, der es wagt, mich noch einmal so zu nennen oder meine Mutter zu beleidigen.
    Später sagten einige, Adhamh der teuflische Gehilfe der Feenkönigin hätte in diesem Augenblick aus dem Sohn des Chiefs gesprochen, und manch ein Dorfbewohner bekreuzigte sich fortan heimlich hinter Alans Rücken. Zwar wagte es niemand mehr, öffentlich über seine Herkunft zu spekulieren, doch viele schienen nun endgültig überzeugt, dass der Erstgeborene des Chiefs aus der Anderswelt stammte und womöglich sogar Adhamhs Bastard war. Denn der besonders gefürchtete männliche Vertreter der Feenwelt sei, so hieß es, schon manch einer jungen Frau zum Verhängnis geworden, die sich allein zu weit in die Berge gewagt hatte.«

    Während der Erzähler eine Pause machte, um sich mit frisch gezapftem Ale die Kehle zu kühlen, war plötzlich dieses eigenartige Kribbeln zwischen den Schulterblättern wieder da, das ich immer hatte, wenn eine unangenehme oder gar gefährliche Situation drohte. Noch bevor ich mich ganz umgedreht hatte, wusste ich, dass mein geheimnisvoller Retter den Raum betreten hatte. Und richtig: Mit verschränkten Armen lehnte er in der niedrigen Tür und sah gefährlich, aber auch zum Anbeißen
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