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Weihnachten mit Mama

Weihnachten mit Mama

Titel: Weihnachten mit Mama
Autoren: Alex Thanner
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ich was wagen?«
    »Wie kannst du es wagen, hier in meinem Haus, an meinem Geburtstag, vor aller Augen und Ohren solche Ungeheuerlichkeiten in den Raum zu stellen!«
    »Ich stelle keine Ungeheuerlichkeiten in den Raum. Ich sage nur, wie es war. Ehrlich, wie ich nun mal bin.«
    »Aber das geht niemanden etwas an. Und so war es auch gar nicht …«
    »Doch, Betty«, warf Papa ein und streichelte Laura wie zum Trost übers Haar. »Genau so war es. Das weißt du ebenso gut wie ich. Und wer wüsste es besser als ich?«
    Es ging um mich, wie ich mit Schaudern feststellte. Um mich! Sie redeten von mir, als sei ich ein Kriminalfall, den es zu lösen gelte. Der berühmte Detektiv hatte alle Verdächtigen in den Salon zusammengerufen, um ihnen endlich die Auflösung des Rätsels zu präsentieren.
    Laura wand sich aus Papas Umarmung und machte einen Schritt auf ihre Mutter zu, die sich umgehend körpersprachlich versteifte.
    » Mama …«
    » Ja, was … Mama «, äffte sie Lauras bittenden Tonfall nach. »Soll das dein Geschenk an mich sein … ein Baby, das … das keinen Vater hat?«
    »Aber, Mama …«, sagte Laura kleinlaut und wandte sich ab, da sie die gestrengen Blicke, die sie trafen, nicht ertrug.
    Wieder schaltete sich Papa ein. »Natürlich hat das Kind einen Vater. Betty, nun mach bitte mal einen Punkt. Und veranstalte hier kein Drama … vor aller Augen und Ohren, wie du es so schön gesagt hast. Und auch wenn Laura … wenn wir alle den Vater nicht kennen … noch nicht kennen, möchte ich sagen … das Kind hat eine Mutter und …«
    »Wie Weihnachten«, unterbrach Dorle aufgeregt. »Maria und Josef … ihr wisst schon … da kannte auch niemand den Vater.«
    »Meine Güte, Dorle«, rief Mama empört. »Du wirst doch die Geburt des Heilands nicht mit diesem Bastard vergleichen, der da im Bauch deiner Schwester heranwächst.«
    » Bastard … heranwächst ?«, schrie Laura nun. Sie hatte sich gefasst, und da sie bei Mama mit Zerknirschung nicht weiterkam, flüchtete sie wie sonst auch in den Angriff. »Du redest, als trüge ich hier einen Alien aus! Bist du noch bei Trost? Wie kannst du mich hier nur so vorführen! Ich bin deine Tochter, und dies wird dein Enkelkind sein. Willst du es so willkommen heißen? In welchem Jahrhundert lebst du eigentlich, dass du hier so eine viktorianische Moral verkündest?«
    »Was ist wickoranisch?«, fragte Jules und zupfte Tina aufgeregt am Rock. Oder war es Jim? Egal. Tina zuckte mit den Schultern, sie hatte keine Lust, ihren Sohnemann aufzuklären, jetzt, wo es hier so dramatisch und spannend war. Heftig zog sie an ihrer Zigarette.
    »Viktorianisch hin oder her«, sagte Papa bestimmt. »Laura bekommt ihr Kind … es ist unser Enkelkind … ein unerwartetes«, sein Blick traf Julie und mich, Julie mehr als mich, wie ich beunruhigt feststellte, »und wenn wir auch den Vater nicht kennen … es hat eine Mutter, es hat mich, den Opa … und uns alle. Nicht wahr? Uns alle!«
    »Meine Güte, was für ein Theater!«, rief Oma Annerose. »Jean-Luc, Jonathan, Jonas oder wie auch immer die Kerle hießen, die sie hier angeschleppt hat … ist doch egal. Es ist Lauras Mädchen! « Und dann erhob sie sich ächzend, machte ein paar Trippelschritte auf ihre Enkelin zu und nahm sie in den Arm.
    Das war zu viel für Mama. Vielleicht empfand sie diese Demonstration verwandtschaftlicher Einigkeit als Provokation, als gegen sie gerichtet oder gegen ihre moralische Empfindlichkeit, die ihr, das wusste ich, so gar nicht ähnlich war. Jedenfalls stand sie abrupt auf, ein Schauder der Empörung schien sie zu durchfahren, als sie sich kerzengerade aufrichtete, den Kopf hob, zur Tür ging und aus dem Salon rauschte. Anna Netrebkos heroischer Abgang auf der Bühne, das Ende einer italienischen Oper war nichts dagegen.
    »Elisabeth!«, rief Papa ihr hinterher.
    Annerose hielt ihn zurück. »Lass sie …«
    »Sie wird sich schon wieder beruhigen«, sagte Robert und grinste.
    Da war ich mir nicht so sicher.
    Robert hatte für Tragik keinerlei Sinn. Ihn schien das alles nur königlich zu amüsieren.
    Da stand sie, auf dem riesigen Balkon, den sie immer Terrasse nannte, in der bitteren Kälte dieses Heiligabends, fassungslos und doch mit trotzig erhobenem Kopf, und zog hastig an einer Zigarette. Mama raucht nur, wenn ihre Gefühle in Aufruhr sind. Wenn sie sehr glücklich oder sehr unglücklich ist. Greift Mama also zur Zigarette, hält die Familie den Atem an. So tat auch ich es, als ich den Arm um ihre
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