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Weihnachten mit Mama

Weihnachten mit Mama

Titel: Weihnachten mit Mama
Autoren: Alex Thanner
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noch eins drauf: »Soll das eine Anspielung sein?«
    »Ach, was du nur immer denkst.« Mama legte ihr den Schal um die Schultern und verwandelte Oma in ein Mischwesen aus Hohepriesterin und Königin der Nacht. Annerose nahm sogleich ironisch eine feierliche Haltung ein und erteilte allen Anwesenden den Segen.
    »Darauf brauch ich einen Schnaps«, schloss sie. »Francis … was gibt die Bar her?«
    Charlotte bekam von ihrer Schwester sechs wunderschöne Weingläser aus böhmischem Kristall, rasant geschliffen und in verschiedenen Farben, die Mama von ihrer diesjährigen Kur in Marienbad mitgebracht hatte.
    »Gläser?«, fragte Charlotte, mit hochgezogenen Augenbrauen, die höher nicht zu ziehen waren. »Was soll ich mit noch mehr Gläsern? Ich hab doch schon so viele. Weißt du nicht, wie klein meine Wohnung ist? Nee, die kannst gleich wieder zurücknehmen …«
    »Wieso? Die waren teuer, also wirklich! Das sind ganz alte Gläser, weißt du! Eine böhmische Antiquität! Die kannst du mir doch nicht so einfach zurückgeben …« Mama war vollkommen konsterniert, wie jeder sehen konnte.
    »Ach, was, teuer. Pillepalle . Ich kann das Zeug nicht gebrauchen. Es passt auch überhaupt nicht zu meinem Stil. Nein, nein … nimm sie mal schön wieder zurück. Kannst sie doch deiner Freundin schenken, deren Wohnung ja von Plunder nur so überläuft.«
    Mama schnaubte. Der Rest der Festgesellschaft hielt den Atem an. Hier schien sich ein neuerlicher Höhepunkt in der problematischen Beziehung zwischen den beiden Schwestern anzubahnen. Ein Höhepunkt, den niemand verpassen wollte. Doch daraus wurde nichts.
    »Nun nimm sie schon«, ätzte Bernhard schadenfroh. »Kannst sie ja auf eBay versteigern. Das wird deine schmale Rente aufbessern.«
    Charlottes Augen verengten sich zu Schlitzen. Auch ihre Lippen pressten sich zu einer geraden altrosa Linie zusammen. Für einen Moment schien sie zu überlegen, dass dies vielleicht gar keine schlechte Idee war, dann aber gewann ihr konstitutionelles Beleidigtsein die Oberhand.
    »Ich denke nicht«, sagte sie spitz, »dass die Empfehlungen eines kleinen Lokalredakteurs wirklich hilfreich für mich sind.«
    »Feuilletonredakteur, liebe Charlotte. Feuilletonredakteur!«
    »Wie auch immer, werter Bernhard. Die Gläser kommen mir nicht über die Schwelle, tut mir leid, Elisabeth. Aber das musst du verstehen. Ist ja auch nicht weiter tragisch. Ich muss ja hier auch nichts bekommen. Gehe ich eben ohne was nach Hause …«
    Sie zog einen Flunsch, dem aber anzusehen war, dass er mehr Theater als wirkliches Eingeschnapptsein war. Und das brachte Karin wahrscheinlich auf die Idee, leise vor sich hin zu sagen: »Ich würd sie liebend gern nehmen …«
    Ruckartig wandten sich alle Köpfe meiner vanilleduftenden Lieblingstante zu, die verschüchtert aufsah und zu einer Erklärung ansetzte.
    »Ja, wirklich. Die sind doch wunderschön. Und zu uns und unserem Stil würden sie passen. Ich meine … Charlotte … vielleicht können wir ja tauschen … Du bekommst meine Geldbörse und ich deine Gläser.«
    Nun wandten sich alle Köpfe erst Charlotte, dann meiner Mutter zu. Mamas Miene war undurchdringlich, aber vermutlich rettete Karins unkonventioneller Vorschlag einfach die Situation. Und verhinderte die Blamage, die kostbaren Gläser wieder zurückzunehmen, als seien sie der letzte Ramsch vom Flohmarkt. Also nickte sie, mit einem feinen, nicht deutbaren Lächeln.
    Charlotte zog eine Schnute, ließ sich von Karin die Geldbörse – immerhin von Furla – reichen und befühlte sie, als könne sie ihrer Schwester grundsätzlich nicht über den Weg trauen. Alle hielten die Luft an. Und atmeten kollektiv erleichtert wieder aus, als Charlotte erklärte: »Warum nicht? Besser als gar nichts. Nein … nein … eigentlich ist sie ja sogar schön. Kann ich gut gebrauchen. Also … ich nehm sie … Und du, werd mit diesen Gläsern glücklich …«
    Applaus.
    Doch damit war die Bescherung keineswegs zu Ende. Nicht nur, dass ja Mama noch alle ihre Geburtstagsgeschenke bekam. Karins Vorstoß setzte nämlich eine wahre Lawine in Gang. Die Rückkehr der Siebenschöns zur Tauschgesellschaft. Plötzlich wollten alle ihre Geschenke gegen die anderer tauschen. Und – o Wunder! – das Ganze ging sogar auf, als hätte der Weihnachtsengel persönlich seine Hände – oder besser: Flügel – im Spiel.
    Und so sah’s dann zum Schluss aus: Charlotte nahm von Karin die Furla -Geldbörse mit dazugehöriger Handytasche aus
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