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Weihnachten mit Mama

Weihnachten mit Mama

Titel: Weihnachten mit Mama
Autoren: Alex Thanner
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dafür … Also, es war nicht zu erwarten, dass ausgerechnet die »Bescherung« – ein so doppeldeutiges Wort! – bei den Siebenschöns fröhlich und ohne Zwischenfälle über die Runden ging. Diese Familie brachte und bringt es fertig, sich auch noch über Geschenke zu zanken.
    Wenn ich für eine Sache sozusagen Spezialist bin, dann für das Schenken. Als Geschenkbuchverleger kenne ich mich aus mit Geschenken – wie sie aussehen, wie sie beschaffen sein müssen, um Freude ins Leben anderer zu bringen, um ihnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
    Ich muss daher monieren, dass in der Entscheidung, die Gäste sollten Mama zum fünfundsechzigsten Geburtstag beschenken und meine Eltern jeden einzelnen Gast, ein Kardinalfehler lag. Zunächst mag man das für rational und vernünftig halten, doch bei genauerer Betrachtung und vor allem genauerer Kenntnis der Familienkonstellation schien es mir nicht gerade ein glückhafter Einfall zu sein, dass Mama die Geschenke für ihre Lieben besorgte. Denn, so seltsam es klingen mag: Mama war und ist darin nicht gut. Und Papa schon gar nicht – seine Geschenke atmen stets den Geist der Verlegenheit. Ja, die Geschenke meiner Eltern treffen leider selten ins Schwarze. Aber knapp daneben ist eben auch
vorbei.
    Es war also größtenteils Mamas wochenlangen Einkäufen zu verdanken, dass die Geschenkepyramide zustande gekommen war, die ich im Salon so kunstvoll aufgebaut hatte. Alles war eingepackt worden, in mehr oder weniger geschmackvolles Papier, mit Schleifen versehen und mit kleinen Namensschildchen. Und so setzte sich Mama stolz in den Ohrensessel neben dem Weihnachtsbaum und beglückte einen jeden mit »seinem« Päckchen. Und ein jeder nestelte es auf, mehr oder weniger geschickt, und zog dann etwas hervor, das ihn wahlweise in Beglückung – seltener – oder Bestürzung – öfter – versetzte. Je nachdem.
    Um hier nicht vollends den Überblick zu verlieren, ist es ratsam, dass der Chronist das Ganze etwas systematisiert und damit vereinfacht zur Darstellung bringt.
    Hohe Beglückung
    stellte sich – es muss leider gesagt werden – bei niemandem ein.
    Mittlere Beglückung
    beziehungsweise Zufriedenheit – deren Grad man jedoch unmöglich erkennen konnte – ließen Karin und Dorle erkennen. Und auch Max gab ein indifferentes Lächeln und Nicken und »Oh, vielen, vielen Dank« von sich, das man wie auch immer interpretieren konnte.
    Kaum oder gar keine Beglückung
    war das Ergebnis bei Oma, Charlotte, Julie – die sich nichts anmerken ließ, der ich es dennoch ansah –, Laura, Tina, Bernhard und Robert – dem es im Grunde egal war, was man ihm schenkte, es war ohnehin immer was zum Anziehen. Und bei mir natürlich.
    Ich hätte liebend gern ein neues Nervenkostüm bekommen. Von mir aus auch einen Scheck, aber Geld wird von mir ja traditionell überschätzt, wie mir immer wieder vorgehalten wird. Doch in meinem Päckchen, in dem es so verheißungsvoll gerappelt hatte, befand sich ein Mobiltelefon, und zwar nicht das neueste Modell. – »Damit du mich immer und überall anrufen kannst!« Als wäre ich noch immer ans Festnetz gefesselt. Und wie jedes Jahr ein Buch, das meine Interessen hundertprozentig nicht traf; diesmal war es Sagen und Legenden der bayerischen Alpen . Aber mein Geschenk war immerhin in das mit Abstand schönste Geschenkpapier eingewickelt: Elfen und Feen, die weihnachtlich kostümiert waren und zu ihrem übermütigen Toben durch den winterlich verschneiten Wald alle lustige grün-rot geringelte Mützchen trugen. Es war – wie konnte es anders sein – aus der Kollektion von Siebenschön, mir also keineswegs unbekannt. Mama hatte das sicherlich nicht gemerkt. Will ich ihr jetzt einfach mal zugutehalten.
    Zwei weitere Beispiele gefällig?
    Annerose bekam von ihrer Tochter ein riesiges, nachtblaues Kaschmirtuch, das überhaupt nicht zu ihrem Kleidungsstil passte. Denn Oma ist mehr so der Landlust- und Burberry-Typ, Eleganz und Extravaganz sind an ihr verschwendet. Daher wusste jeder augenblicklich: Sie würde dieses Tuch niemals tragen. Annerose wackelte mit dem Kopf wie ein Plüschhund auf der Heckablage eines Autos, unsicher, wie sie reagieren sollte.
    »Was ist denn das für ein Gedöns?«, machte sie dann ihrer Enttäuschung Luft.
    »Das ist feinstes Kaschmir ! Aus dem Himalaya!«, schnappte Mama, schon im Ansatz beleidigt, dass jemand das nicht auf Anhieb fühlen und erkennen konnte.
    »Von einer Kaschmirziege?«, fragte Oma lauernd. Und setzte
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