Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feindberührung - Kriminalroman

Feindberührung - Kriminalroman

Titel: Feindberührung - Kriminalroman
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
36°74’ Nord – 68°98’ Ost
    Sie waren auf der LOC Pluto in westlicher Richtung unterwegs, nach vierzehn Tagen draußen. Eine der ewig gleichen Routen. Wann sie welche Route fuhren, folgte dem Zufallsprinzip, damit die Taliban ihnen nicht nach Fahrplan auflauern konnten. Die sollten wenigstens ein bisschen Zeit mit Aufklärung verschwenden müssen. Die deutschen Patrouillen klapperten regelmäßig in allen Himmelsrichtungen die Dörfer ab. Kontakt zur Bevölkerung suchen, reden, Tee trinken, rausfinden, wo der Schuh drückt, und dabei Präsenz zeigen. Informationen einholen, Hinweisen nachgehen und nach Lage auch eingreifen. » Salaam Alman!«, » Alman guud!«. Soweit die Theorie. Die ersten Jahre über war es auch so gelaufen. Die Leute mochten sie, die Alman, die Deutschen, das war im Grunde immer noch so. Mehr jedenfalls als die Amis oder auch die Tommys im Süden. Sie wurden noch um Hilfe gebeten, man erzählte ihnen manchmal, wo sich Verdächtige rumtrieben, wie viele man gesehen hatte und wie sie bewaffnet waren. Aber wenn sie dann dort hinkamen, hatte irgendjemand die Drecksäcke jedes Mal schon gewarnt. Sie waren wie vom Staub verschluckt, wie in den Fels gefahren. Es gab keine Überraschungen mehr für die Bartheinis. Aber für die Bundeswehr immer mehr davon. Überall gut getarnte Sprengfallen mit hoher Wirkung, Suicider an jeder zweiten Ecke. Oft gab es schwere und schwerste Verletzungen selbst bei den in gepanzerten Fahrzeugen sitzenden Soldaten, allein weil sie durch die Ansprengungen so heftig herumgeschleudert wurden.
    Auch taktisch einwandfrei gelegte Hinterhalte, präzise geführte Attacken, diszipliniert durchgehaltene Feuergefechte über Stunden gehörten jetzt zum Programm.
    Das alles hatte es jahrelang nur im Süden und Südosten gegeben, bei den Amis und den Briten. Aber vor einiger Zeit waren französische Fallschirmjäger östlich von Kabul dreizehn Stunden im Sand festgenagelt worden. Und die Paras waren keine Weicheier, die hatten richtig Zunder gegeben, Granaten, Mörser, alles, was sie hatten. Am Abend waren sie praktisch ausgeschossen und mussten beten, dass die Wichser das nicht merkten. Die alarmierte Unterstützung geriet auf den beiden einzig möglichen Wegen zum Gefechtsfeld dann auch noch in Hinterhalte, alles bestens vorbereitet. Die Franzosen riefen Close Air Support, und da kam es, wie es ja meistens kommt. Ziele zu klein, Freund und Feind zu nah beieinander, mindestens zwei Mann starben durch den eigenen Luftangriff, Gesamtbilanz des Gefechts: zehn Tote und Dutzende Verwundete. Danach ging es auch im Norden los. Chahar Darreh, die Höhen 431 und 432 .
    Das Schlimmste an der Sache war die Erkenntnis, dass die Taliban es mit ihren Angriffen absolut ernst meinten. Die wollten sie tot sehen. Kein » hit and run«, nein, hit and hit and hit again, till you go down, motherfucker.
    Das war voraussichtlich die letzte Patrouille seiner Kompanie vor der Heimreise. Und sie war ganz überraschend verlaufen: kein Schuss war gefallen, nichts explodiert. Sie hatten tatsächlich Tee getrunken, Kontakt zur Bevölkerung gehalten, Informationen eingeholt und ganz in Ruhe außerhalb der Dörfer biwakiert, zweimal sogar recht bequem in Polizeistationen der ANP. Jetzt rollte der Konvoi Richtung Feldlager, er saß mit GPS und Karte beschäftigt im ersten Fahrzeug.
    Vor sieben Jahren war er zum ersten Mal hier gewesen, als Oberfähnrich. Da fühlten sie sich wie die Amis 1944 in Frankreich. Alle Afghanen waren froh, sie zu sehen, sie waren Helden, Befreier mit der goldenen Zukunft im Kampfgepäck. Patrouille fuhren sie ohne Schutzweste und Helm, nur das bordeauxrote Barett auf dem Kopf, das ihn so stolz machte. Stürzender Adler auf rotem Barett.
    Fallschirmjäger. Elite. Scheiße.
    Keine Ahnung hatte er gehabt, ein Bubi war er damals. Er hatte sich so schnell wie möglich wieder zum Einsatz gemeldet.
    Bei der zweiten Tour war er Zugführer, frisch befördert zum Leutnant. Französischer Kommandolehrgang in Mont-Louis, Einzelkämpferlehrgang eins und zwei in Altenstadt, wieder einsatzvorbereitende Ausbildung. Er fühlte sich gut vorbereitet. Bis zu der Explosion auf dem Marktplatz.
    Darauf kann einen keiner vorbereiten.
    Das kann man nicht lernen.
    Der Kopf von dem alten Afghanen, der ihm gegen die Brust geflogen war, der junge Obergefreite mit den abgerissenen Beinen, die Frau in der brennenden Burka, die einfach nur dastand, die Arme nach vorn gestreckt, und verbrannte. Taub von dem Knall,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher