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Weihnachten mit Mama

Weihnachten mit Mama

Titel: Weihnachten mit Mama
Autoren: Alex Thanner
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Kommando. »Das passt schon … Hintereinander … In drei Reihen … Hintereinander, habe ich gesagt, ist das denn so schwer … Die Kleinen nach vorn … Ja, auch du, Karin, bist ja nicht die Größte … Und Oma auch nach vorn … Ja, rechts neben Elisabeth … Friedrich, stell dich neben deine Frau … Die Kinder können sich hinknien … Nun macht schon … Herrje, was für ein …«
    Dann, nach einer Viertelstunde, in der die Gruppe einen Grad an Verkrampftheit erreichte, der wachsfigurenkabinettwürdig war, schien es geschafft: Drei Reihen standen parat … Alle Köpfe waren zu sehen …
    »Alles blickt hierher … In die Kamera! … Lächeln, bitte … lächeln … Jules, zieh deinen Bruder nicht am Ohr … Jim, jetzt keine Grimassen, bitte … alle … lächeln …«
    »Nun drück schon ab. Ich kann hier nicht stundenlang herumgrinsen«, quengelte Oma, die heftig grimassierte und von der Anforderung, gute Miene zum anstrengenden Spiel zu machen, sichtlich überfordert war. Wer hingegen ein minutenlanges hinreißendes Lächeln hinlegte, war Laura … Sie war es gewohnt, von Fotografen kommandiert zu werden. Sie strahlte, als würde sie für den Pirelli-Kalender fotografiert. Absolut professionell. Alle anderen schnitten Grimassen, dass es eine grausige Freude war.
    Klick.
    Das Blitzlicht hatte nicht funktioniert.
    »Hast du den Blitz eingeschaltet?«, fragte Mama.
    »Natürlich hab ich das«, gab Bernhard gereizt zurück. »Meinst du, ich kann mit diesem vorsintflutlichen Erzeugnis der optischen Industrie nicht umgehen?«
    »Aber nun bist du nicht auf dem Bild, Schatz«, jammerte Karin. »Wenn du fotografierst, kannst du nicht auf dem Bild sein.«
    »Geliebtes Wesen«, sagte Bernhard. »Niemand ist auf dem Bild, das ich gerade gemacht habe! Der Blitz ist nicht ausgelöst worden.«
    »Karin hat recht. Bernhard muss mit aufs Bild«, befand Mama.
    »Was für ein Getue!« Charlotte verdrehte entnervt die Augen.
    »Und wer soll die Aufnahme machen?«, fragte irgendwer.
    Zum zweiten Mal an diesem Abend breitete sich ein mehrsekündiges Schweigen aus. Völlige Stille. Verdutzt, perplex hielten alle inne, sogar die Kinder. Jeder schien darüber zu grübeln, wie man alle aufs Bild bekommen könnte, einschließlich des Fotografen.
    »Selbstauslöser?«, fragte Robert vorwitzig aus der hintersten Reihe.
    »So was klappt doch nie«, sagte Papa. »Außerdem haben wir den nicht.«
    »Nee … nee … Niemals klappt das mit einem Selbstauslöser.«
    »Wir haben ja auch überhaupt keinen«, wiederholte Papa.
    »Dann ohne Selbstauslöscher!«, rief Oma.
    »Selbstauslöser!«
    Wieder ein Moment Stille. Den jemand unterbrach, mit dem keiner gerechnet hatte.
    »Ich …«, kam es von irgendwoher.
    Alle Köpfe drehten sich um.
    Es war Max, der sagte: »Ich könnte die Aufnahme machen. Ich meine … dann wäre die ganze Familie drauf auf dem Bild. Und ich … ich gehöre ja nicht dazu … noch nicht, meine ich …«
    Dorle schob enttäuscht die Unterlippe vor. Doch auch sie sah ein, dass hier ein Königsweg aufgetan worden war.
    »Kannst du denn damit umgehen … mit so einem altmodischen … Dings …?«, fragte Dorle.
    Max schenkte ihr ein schiefes Grinsen.
    »Na klar. Eine meiner leichtesten Übungen.«
    Es dauerte natürlich eine geraume Weile, bis sich die Gruppe wieder so formiert hatte, dass alle in Position waren und ihr schönstes Hundert-Watt-Weihnachts-
lächeln angeknipst hatten. Ich muss sagen, dass Max sich sozusagen allein durch die meisterliche Art und Weise, wie er mit engelsgleicher Geduld die komplette Familie auf den perfekten Moment für den Auslöser ausrichtete, für die Aufnahme in den erlauchten Kreis der Siebenschöns qualifiziert hatte. Mama, die in der Mitte der Gruppe stand und sich ein strahlendes Lächeln ins Gesicht geschminkt hatte, das sie gar nicht mehr wegbekam, erkannte in ihm den idealen Schwiegersohn. Wenn es Dorle nicht gelingen würde, diesen Teufelskerl definitiv an sich zu binden – sie würde ihn niemals wieder loslassen!
    In letzter Sekunde aber kam Max dann doch mit aufs Bild. Denn Francis, der Butler, unser britischer Helfer in höchster Not, erbot sich, auf den Auslöser zu drücken.
    Klick.
    Klick.
    Klick.
    Es klickte nur so. Immer wieder. Mit Blitzlicht. Ohne Blitzlicht. Fast zwei Filme wurden verknipst. Wir strahlten um die Wette. Ich stand direkt hinter meinen Eltern. Und nur ich konnte sehen, wie mein Vater seine Hand auf Mamas Rücken schob. Es war nicht besitzergreifend, nicht
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