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Die Schiller-Strategie: Die 33 Erfolgsgeheimnisse des Klassikers (German Edition)

Die Schiller-Strategie: Die 33 Erfolgsgeheimnisse des Klassikers (German Edition)

Titel: Die Schiller-Strategie: Die 33 Erfolgsgeheimnisse des Klassikers (German Edition)
Autoren: Eva Wodarz-Eichner , Karsten Eichner
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PROLOG: FLUCHT IN DIE KARRIERE
Thüringen, Dezember 1782: Der Schnee liegt hoch in diesem Winter. Schwarz recken die Bäume ihre kahlen Äste in den Himmel, an dem das rote Gold der Sonne allmählich verglüht. Nur wenige Menschen sind an dem kalten Abend unterwegs, und mühsam sucht sich eine Kutsche ihren Weg durch den festgestampften Schnee. Ein einziger Reisender sitzt im Wagen, tief in Gedanken versunken. Er starrt aus dem kleinen Fenster auf die verschneite Landschaft draußen, sieht nicht den Sonnenuntergang und nicht die ersten Lichter der herzoglichen Residenzstadt Meiningen irgendwo in der Dämmerung aufblitzen.
Noch ist nicht alles verloren. Nicht alles. Wenn auch seine neue Welt in Trümmern liegt – er, der gefeierte Dichter der „Räuber“, wieder einmal auf der Flucht … Schon einmal war er vor dem Herzog geflohen, hatte Stuttgart und sein altes Leben hinter sich gelassen. Mannheim, sein berühmtes Nationaltheater und das Publikum hatten damals auf ihn gewartet. Keine drei Monate war es her, und wieder ließ er alles zurück.
War es damals ein Fehler gewesen zu fliehen? Bei Nacht und Nebel, im Schutz eines Feuerwerks, das Herzog Karl Eugen von Württemberg zu Ehren seines Verwandten, des russischen Großfürsten Paul, abbrennen ließ. Ich sage, bei Strafe der Festungshaft schreibe Er keine Komödien mehr! Zwei Wochen Arrest hatte er damals schon hinter sich, und das schreckliche Beispiel des Dichters Christian Friedrich Daniel Schubart, der mit seinen freiheitlichen Schriften den Unwillen des Herzogs herausgefordert hatte und dafür im Kerker der Burg Hohenasperg lag, hat er ständig vor Augen. Flucht ist erlaubt, wenn man Tyrannen flieht. Er musste schreiben, musste!!! Und das war heute nicht anders als damals.
Entschlossen strafft der junge Mann in der Kutsche die Schultern. Nein, es war kein Fehler gewesen – damals, in der Nacht des 22. September 1782 nicht, und heute auch nicht. Mannheim und sein Publikum hatten ihn begeistert gefeiert, seine „Räuber“ bejubelt, das Stück, das er mit seinem Herzblut geschrieben hatte, und ihm – dem Dichter! – stehenden Beifall gezollt. Und zu Hause in Stuttgart warteten Arrest und Schreibverbot statt Anerkennung. Nicht mehr von Fürsten abhängen. Nur noch von der Gunst des Publikums. Dafür lohnte es. Dafür lohnte alles!
Am Himmel ist die rote Sonne verglüht, und allmählich sinkt die Nacht auf die stille Thüringer Landschaft. Wie lange war er jetzt unterwegs gewesen, seit er aufgebrochen war, um das Angebot Henriette von Wolzogens anzunehmen, in ihrem Gut in Bauerbach bei Meiningen zu leben? Einen Unterschlupf zu finden wie ein gehetztes Tier, Ruhe zu finden und ungestört arbeiten zu können – waren es sechs Tage oder sieben, tausend oder hunderttausend Stunden?
Fast zärtlich streichen Friedrich Schillers Hände über den Brief, den ihm die Mutter eines ehemaligen Kameraden aus der Stuttgarter Karlsschule geschickt hatte. Sie war von seinem Talent überzeugt, sie wusste um die Macht seiner Sprache und darum, dass es keine närrische Idee von ihm war, sein Leben dem Schreiben widmen zu wollen, sondern Vorsehung. Dichter sein ist mein Schicksal … Ihr Gut in dem kleinen thüringischen Dorf sollte seine Zuflucht werden, der Ort, wo Luise Millerin Gestalt annehmen würde.
Keiner würde ihn dort vermuten. Er war nicht in Mannheim in die Kutsche gestiegen, sondern zu Fuß bis nach Worms zur Poststation gegangen, weil der Herzog in Mannheim möglicherweise die Kutschen kontrollieren ließ und ihn suchte, den geflohenen Regimentsmedikus Schiller. Flucht ist erlaubt, wenn man Tyrannen flieht. Ein Tyrann – in gewisser Weise war Dalberg das auch. Freiherr Wolfgang Heribert von Dalberg, der Intendant des Mannheimer Nationaltheaters. Dalberg hat seine „Räuber“ auf die Bühne gebracht und ihn von der Mannheimer Freiheit begeistert, und dann hatte Dalberg es mit der Angst vor dem Herzog zu tun bekommen, als er seine Versprechen ernst genommen hatte und aus Stuttgart nach Mannheim geflohen war. Hatte angefangen, sein neues Stück zu kritisieren, Umarbeitungen zu fordern. Und einen Vorschuss hatte er auch verweigert. Meine Räuber mögen untergehen, mein Fiesko wird leben.
Mit seinem treuen Gefährten Andreas Streicher war er von Mannheim nach Frankfurt aufgebrochen, um seine Spur zu verwischen. Hatte in Mainz den ehrwürdigen alten Dom gesehen. Hatte in einem billigen Gasthof in Oggersheim gehaust und gearbeitet wie ein Besessener, um es Dalberg
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