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Abbild des Todes

Abbild des Todes

Titel: Abbild des Todes
Autoren: Christiane Heggan
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PROLOG
    N ew York City

10. Dezember – 23.00 Uhr
    Lola Malone war nur noch einen Block vom Tompkins Square Park entfernt, als sie plötzlich stehen blieb. Kurz zuvor hatte sie den Gedanken, der ihr in diesem Moment wieder durch den Kopf schoss, schon einmal verworfen. Aber die Geräusche, die sie hinter sich hörte, wurden zwar vom leicht fallenden Schnee gedämpft, doch es waren eindeutig Schritte!
    Ängstlich warf sie einen Blick über ihre Schulter. Die dunkle Seitenstraße erinnerte sie wieder daran, warum sie sich noch nie wohl dabei gefühlt hatte, nachts ganz allein in dieser Gegend von Manhattan unterwegs zu sein. Tagsüber pulsierte in den Straßen durch die unvergleichliche Mischung aus Künstlern, Studenten und Touristen das Leben, doch nach Einbruch der Dämmerung wurde die Stimmung hier im East Village nahezu bedrohlich. Zum Glück hatte der Schnee heute die Heimatlosen und Verzweifelten vertrieben. Zumindest die meisten von ihnen.
    Lola starrte in die Dunkelheit. Außer einem Obdachlosen, der zusammengerollt im nächsten Hauseingang lag, und den Scheinwerfern eines Wagens, die in der Ferne aufleuchteten, war die Straße menschenleer. Vielleicht bildete sie sich das alles nur ein. Vielleicht trugen auch die beiden alten Gruselfilme, die sie sich diese Woche ausgeliehen hatte, ihren Teil dazu bei. Aber “Warte, bis es dunkel wird” und “Was passierte mit Baby Jane?” konnte sie einfach nicht widerstehen – auch wenn sie wie jedes Mal angespannt und ängstlich auf der Kante ihres Sofas gehockt hatte. Kein Wunder, dass sie so nervös war. Sie hätte darauf bestehen sollen, dass der Taxifahrer sie erst einen Block später raussetzte, doch er war auf seinem Nachhauseweg gewesen, und weiter als bis zur Sixth Avenue wollte er nicht fahren.
    Die Hände tief in den Taschen ihres Mantels vergraben, hastete sie weiter, beschleunigte ihre Schritte und schimpfte mit sich, dass sie sich mitten in der Nacht auf so ein Risiko eingelassen hatte. Was hatte sie sich nur dabei gedacht?
    Da! Plötzlich hörte sie es erneut. Schritte. Sie hielten mit ihren mit, gingen, wenn sie ging, und hielten an, wenn sie anhielt.
    Gehetzt blickte sie sich um. Direkt vor ihr war ein kleiner Weg, der die Seventh Street mit der First Avenue verband, und genau dort musste sie hin. Der Gedanke daran, durch diese rattenverseuchte Gasse zu laufen, behagte ihr zwar überhaupt nicht, aber das tat die Möglichkeit, überfallen oder – schlimmer noch –, vergewaltigt zu werden, auch nicht.
    Um denjenigen, der hinter ihr her war, zu verwirren, bog sie erst in allerletzter Sekunde in die dunkle Straße ein. Dann betete sie, dass sie nicht ausrutschen würde, und begann zu rennen. Die Ratten, die in alle Richtungen davonstoben, weil sie ihre nächtlichen Streifzüge durch die Müllberge störte, ignorierte sie, so gut es ging.
    Sie rannte, so schnell sie konnte, und hielt ihren Blick starr auf die Lichter der First Avenue gerichtet, die am anderen Ende der Gasse zu sehen waren. Panik erfasste sie, als ihr bewusst wurde, dass ihr Verfolger ebenfalls zu rennen begonnen hatte. Und aufholte.
    Sie würde es nicht schaffen.
    Wie um ihre Befürchtungen zu bestätigen, legte sich eine stählerne Hand auf ihre Schulter und drückte so fest zu, dass die Knie unter ihr nachgaben.
    “Bitte, tun Sie mir nichts”, flehte sie. “Sie können alles von mir haben, was Sie …”
    Er schleuderte sie herum. Ein Keuchen entfuhr ihr, als sie ihn erkannte. Entsetzt starrte sie ihn an, denn diesen Blick in seinen Augen hatte sie noch nie gesehen.
    “Ich habe dich gewarnt, Lola, mit mir keine Spielchen zu spielen”, knurrte er mit unterdrückter Wut in der Stimme. “Aber du hast es trotzdem getan. Das war dumm von dir.”
    “Es tut mir leid!” Sie schluckte. “Ich war enttäuscht, ich habe nicht nachgedacht.” Sie suchte in seinen Augen nach einem Anflug von Verständnis oder Mitleid. Doch sie entdeckte nichts als Verachtung. “Lass mich gehen, und ich schwöre dir, dass ich verschwinden werde. Hierher zu kommen war ein Fehler, das weiß ich jetzt.”
    “Als ob ich dir das glauben würde.” Er trat so nah an sie heran, dass ihre Gesichter sich beinahe berührten. “Niemand droht mir. Denk daran, wenn du jetzt stirbst.”
    Er legte seine Hände um ihren Hals. Die Angst raubte ihr beinahe das Bewusstsein. Er würde sie erwürgen. Voller Panik versuchte sie, ihre Finger zwischen ihren Hals und seine Hände zu zwängen – vergeblich. Er war zu
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