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Rockfords tödlicher Bluff

Rockfords tödlicher Bluff

Titel: Rockfords tödlicher Bluff
Autoren: Mike Jahn
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    Wenn die Menschheit eines Tages auf den Gedanken käme, dem guten alten Jungen zu Ehren ein Denkmal zu setzen, würde man sich Travis Buckman als Modell aussuchen. Ein Draufgänger mit verwitterten Gesichtszügen, dessen Vorfahren während der großen Arbeitslosigkeit der dreißiger Jahre von Oklahoma nach Kalifornien gezogen waren, hatte er sich als 35jähriger zahlreiche Eigenschaften bewahrt, die viele junge Männer seines ehemaligen Heimatstaates auszeichnen.
    Seine Leidenschaft für Bier der Marke Rolling Rock und Bourbonwhisky der Marke Wild Turkey wurde nur noch von seiner Begeisterung für verwaschene Jeans, großkarierte Hemden, Cowboyhüte und einen verzierten Ledergürtel übertroffen, dessen Schnalle einen Stierkopf darstellte. Er besaß einen Lastwagen, eine winzige Ranch in Ventura County sowie eine zwölfschüssige Weatherby Patrician.
    Wenn Buckman nicht gerade in Schlägereien in irgendwelchen Kneipen verwickelt war, konnte man ihn in den Bergen antreffen, wo er Rebhühner abknallte. Er war ein guter alter Junge, aber ein harter. Und für einen Mann dieser Güte war es ganz logisch, daß er bereit war, jeden zu töten, der ihn des Mordes anklagte.
    Jim Rockford klagte nicht an, er untersuchte nur. Er wußte allerdings, daß Buckman diesen feinen Unterschied nie begreifen würde.
    Aus diesem Grund hielt er an jenem völlig normalen Oktobertag respektvoll Abstand, als er Buckmans zerbeultem Lastwagen auf dem Pacific Coast Highway nordwärts folgte. Der Wagen, ein hellblauer Ford, war nicht alt, aber äußerst ungepflegt. Buchstäblich das einzige, was Buckman instand gehalten hatte, war das Firmenschild auf jeder Tür: »Buckman Ställe: Reitlehrer und Pferdezüchter seit 1972«.
    Das Gleichgewicht des Fahrzeugs war durch eine atemberaubende Zahl von Beulen, Löchern, Kratzern und Schmutzstellen erheblich gestört. Rockford wäre viel lieber einem Bentley auf der Fahrt zum Golfplatz gefolgt, aber im Augenblick war Travis Buckman das einzige jagbare Wild in der Stadt.
    Der Lastwagen bewegte sich langsam die Schnellstraße hinauf, die an der Pazifikküste zwischen Los Angeles und San Francisco entlangführt. Er fuhr durch Oxnard und dann nach Ventura hinein und erreichte bald ein abgelegenes Stück Straße, das trotz seiner landschaftlichen Reize den Pendlern aus Los Angeles zu weit außerhalb lag und deshalb von den Grundstücksmaklern noch nicht entdeckt worden war.
    Die Küste war felsig, aber einladend. Die steilen Hügel darüber eigneten sich perfekt für die architektonischen Fantasien, mit denen in der Nähe der Großstädte herumexperimentiert wird. Doch die Natur hatte sich vorläufig ihr Reich bewahrt. Hier und dort lag in den Dünen ein Ferienhaus versteckt, die Sorte, die man für einen Tausender pro Saison haben kann; die Außenfarbe wurde durch den Sprühregen der Meeresbrandung auf fast künstlerische Art grau.
    Grau wurde langsam auch Rockfords 1964er Chevrolet, aber kaum auf künstlerische Art. Vor ein paar Monaten hatte er ihn für 200 Dollar gekauft, nachdem ein unachtsamer Flüchtling seinen robusten 62er mit Kugeln durchsiebt und damit der Schrottpresse ausgeliefert hatte. Mit dem 64er Modell kam Rockford nie so gut zurecht wie mit dem 62er. Er mochte das Fahrzeug nicht, und der Wagen wußte das. Der Chevrolet spielte ihm bei jeder Gelegenheit Streiche. An diesem fast widerlich normalen Oktobertag hatte sich der Wagen entschlossen, ihn am Radiohören zu hindern, ein kleiner, aber höchst ärgerlicher Racheakt.
    Eine defekte Röhre sorgte dafür, daß das Radio alle fünf Sekunden an- und ausging. Es schwieg immer gerade so lange, bis Rockford wütend die Hand gehoben hatte, doch bevor er zuschlagen konnte, war der Ton wieder da. Nach einer halben Stunde versetzte Rockford dem Armaturenbrett einen kräftigen Schlag mit der Faust. Das Radio stotterte und schwieg. Rockford verfluchte es, dann wollte er das Gerät abschalten. Doch bevor er den Knopf berührte, gab es laute Störgeräusche von sich - so wie ein Radio »Tschüs, du Knallkopp«, sagt. Rockford schaltete es aus und schwor sich, es nie mehr anzufassen.
    Diese Entscheidung kam gerade richtig. Buckmans Lastwagen hatte seine Geschwindigkeit verringert, überquerte die Gegenfahrbahn und fuhr in eine Haltebucht. Rockford fuhr langsam weiter und sah aufmerksam zu, wie Buckman aus dem Wagen stieg, seinen Cowboyhut zurechtrückte, ausspuckte und eine leichte Böschung hinunter zum Strand ging.
    Rockford passierte die Stelle,
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