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Was wir erben (German Edition)

Was wir erben (German Edition)

Titel: Was wir erben (German Edition)
Autoren: BjÖrn Bicker
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seinen Geruch. Auf Holger kann ich mich verlassen. Valon ist weg. Was für beschissene Klischees. Der wilde, unberechenbare Roma, der sanftmütige, verlässliche Deutsche.Ich sehe Deine Mutter und den Vater, wie sie an ihrem letzten Abend in einem Brauhaus sitzen und Schweinsbraten essen, und der Vater trinkt Bier und Deine Mutter, die bei Limonade bleibt, redet die ganze Zeit vom Schwimmen und von Mark Spitz, nur um das Gespräch nicht auf die bevorstehende Trennung zu lenken, und der Vater fragt sie, ob es eigentlich auch berühmte Frauen beim Schwimmen gebe, und Deine Mutter sagt, Shane Gould, die sechzehnjährige Australierin, die sei aber erst wieder am nächsten Tag an der Reihe. Der Vater kann sich den Namen nicht merken. Deine Mutter sagt, dass sie müde ist. Sie möchte ins Hotel. Der Vater bezahlt die Rechnung. Er wird wütend und weiß gar nicht genau, warum. Das passiert ihm in letzter Zeit immer öfter. Er bestellt mit der Rechnung noch ein letztes Bier, damit die Wut wieder verschwindet. Aber die Wut verschwindet nicht, sondern wird nur noch größer. Sie gehen durch den milden Sommerabend und der Vater fängt an, Deine Mutter in die Enge zu treiben. Wie es jetzt weitergehen soll, ob sie darüber noch nie nachgedacht habe, er halte das nicht mehr aus, diesen Zustand der Lüge und Ungewissheit, und sie hört sich an, was der Vater ihr entgegenschleudert, und sie weiß, dass jedes erwiderte Wort falsch wäre. Deine Mutter sagt gar nichts. Der Vater beruhigt sich wieder. Aber zwischen ihnen ist eine unsichtbare Wand. Dem Vater brummt der Schädel, weil er seit drei Tagen immer wieder gegen diese Wand läuft und den Schmerz vergeblich mit Bier betäubt. Sie fallen erschöpftin das weiche Hotelbett. Jeder starrt in eine andere Richtung. Der Vater schläft ein, weil er zu viel getrunken hat. Deine Mutter steht wieder auf. Stellt sich vor den Badezimmerspiegel und sieht nach, ob ihr Bauch schon gewachsen ist. Sie überlegt sich, wie sie sich morgen vom Vater verabschieden will. Ihr fällt nicht der passende Satz ein. Sie legt sich wieder hin und schläft erst viel später ein. Das Frühstück am nächsten Morgen lassen sie aus. Der Vater rasiert sich. Packt seine Sachen in seine blaue Bundeswehrtasche. Deine Mutter zieht wieder das Kleid mit dem bunten Paisley an. Die Schuhe mit den Absätzen. Sie gehen gemeinsam zum Bahnhof. Der Vater fährt zuerst ab. Sie küssen sich auf dem Bahnsteig, aber nur flüchtig, weil sie scheu sind. Er weiß nicht, dass die Mutter noch ein paar Tage in München bleibt, dass sie schon ein Visum hat, dass sie zum Flughafen fahren wird, um mit Dir im Bauch als neuer Mensch in eine Lufthansa-Maschine nach New York zu steigen. Der Vater geht noch ein paar Wochen regelmäßig zur Post, um nachzuschauen, ob etwas in seinem Postfach lagert. Ein paar Monate später kündigt er das Postfach. Er spricht mit niemandem darüber.
    Wenn du dich schon für das echte Leben entscheidest und nicht hier bei uns in der Pension bleiben willst, hat die Wirtin mit entschiedenem Ton gesagt, und das ewige Theater wirklich an den Nagel hängen willst, dann Kind, dann entscheide dich auch fürs Erwachsensein. Sie hat mein Geld genommen und die Scheine im Ärmel ihrerBluse verschwinden lassen und mich zum ersten Mal in einen ihrer Privaträume geführt. An einer festlich gedeckten Tafel saßen der Ungar, Huemer und eine von den Bellaria-Damen. Die Wirtin schenkte mir Kaffee ein und schob mir einen Stuhl unter den Hintern. Huemer balancierte ein Stück Torte auf meinen Teller. Alle sahen mich freundlich an, aber keiner sagte ein Wort. Bis auf den Ungarn. Der stand auf und verkündete: Kinder sind das Glück dieser Erde. Ich trank meinen Kaffee, aß meine Sachertorte, alles unter den Blicken der Anwesenden, und als ich fertig war, stand die Wirtin auf, erhob ihr Glas und sprach einen Toast aus. Auf die Freundschaft. Auf das All. Auf die Relativität. Den Tonfilm. Und gegen die Moral. Huemer senkte den Blick. Der Ungar schlug mit der Faust auf den Tisch, dass das Geschirr laut schepperte, die Bellaria-Dame kicherte kurz und schrill. So, sagte die Wirtin, nachdem sie ihr Sektglas auf ex geleert hatte, jetzt beeile dich, Kind, die Züge warten nicht, egal, in welche Richtung, und als ich mich an der Tür noch mal umgedreht habe, standen der Ungar, Huemer und die Wirtin da und winkten mir zu. Adieu, rief der Ungar und schlug mit den Hacken zusammen, good luck, bellte Huemer und die Wirtin schwenkte eine weißes
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