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Was uns nicht gehört - Roman

Was uns nicht gehört - Roman

Titel: Was uns nicht gehört - Roman
Autoren: Nagel , Kimche AG <Zürich>
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hast. Den findest du in jedem Telefonbuch.»
    Ich dachte an meinen Puffer von 107,35 Euro, der längst weiter geschrumpft war und der vermutlich nicht einmal mehr ausreichte, mit einem Anwalt auch nur zu telefonieren, aber ich unterließ es, irgendetwas davon zu meiner Verteidigung ins Feld zu führen. Sonja verfügte nach einem Erbe über ein recht stattliches Vermögen, und das Letzte, was ich wollte, war, dass sie mir ihre Unterstützung anbot. Um sie von derartigen Gedanken fernzuhalten, kroch ich mit dem Kopf unter ihre Decke und verwühlte mich in ihrem Geschlecht, ein Ablenkungsmanöver, das bei all seiner Schlichtheit gelang. Sonja öffnete ihre Beine und ließ mich gewähren, und zum ersten Mal seit Monaten schliefen wir danach nebeneinander ein.
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war Sonja bereits gegangen. Sie hatte keinen Zettel auf dem Küchentisch hinterlassen, wie sie es früher immer getan hatte, und ich war froh, dass so der Abend keine Fortsetzung in den Tag fand. Ich loggte mich in mein Konto ein und sah, dass die Vierteljahresrechnung meines Zeitungsabonnements abgebucht worden war, genug, um mich über die Nulllinie ins Minus rutschen zu lassen. Ich dachte an Loos und seine Weinerlichkeit auf dem Mäuerchen und kämpfte einen Moment lang mit meiner eigenen Weinerlichkeit, die ich in mir aufsteigen spürte, aber schon im nächsten Moment wurde ich kämpferisch.
    «Nicht mit mir», sagte ich laut und zum offenen Fenster gewandt, «nicht mit Epkes.»
    Ich ging aus dem Haus und zog mir am nächsten Bankautomaten zweihundert Euro. Im Hornstein bestellte ich mir ein König-Ludwig-Frühstück für 14,50 Euro, und als ich damit fertig war, ließ ich mir ein zweites Glas Sekt bringen.
    «Irgendwas zu feiern?», fragte die Bedienung, und ich nickte und sagte: «Irgendwas gibt’s immer.»
    «Schön gesagt», erwiderte die Bedienung, «stimmt aber nicht.»
    Sie lachte, ein Lachen, das mich an die späte Romy Schneider erinnerte. Ich überlegte kurz, ihr genau das zu sagen, ließ es dann aber doch bleiben. Die Bedienung war jung, zwanzig, allerhöchstens fünfundzwanzig, und wollte vermutlich kaum mit der späten Romy Schneider verwechselt werden. Gut möglich, dass sie Romy Schneider überhaupt nicht kannte. In Wahrheit kannte auch ich Romy Schneider kaum, so wenig wie ihr spätes Lachen, das sich vielleicht nur unmerklich von ihrem frühen unterschied. Zudem war sie schon lange tot, gut, dass ich erst gar nicht damit angefangen hatte.
    «Was macht eigentlich Ihr vietnamesischer Koch?», fragte ich stattdessen.
    Es war bereits viertel nach elf, und die Enten führten noch immer ein friedliches Morgenleben. Ein wenig hungrig vielleicht, aber davon drang nichts durch ihr Gefieder nach außen.
    «Stimmt auch nicht», sagte die Bedienung, «der ist aus Laos, und kochen kann der gar nicht.»
    «Und Sie?», fragte ich.
    Die Bedienung lachte noch einmal, aber ihr Lachen war nicht mehr dasselbe wie zuvor. Ein kehlig-raues Lachen, das mich an nichts anderes erinnerte als an ein kehlig-raues Lachen, ihr dazugehöriger Blick pendelte zwischen Spott und Verachtung.
    «Ich nicht», sagte sie schließlich, «ich bin aus Österreich.»
    Ohne ein weiteres Wort räumte sie das Geschirr ab, und als ich wenig später zahlte, nahm sie das Trinkgeld und legte es zurück auf meinen Geldbeutel.
    «Für Sie», sagte sie, «Sie werden es noch brauchen.»
    Sie verließ meinen Tisch und verschwand in der Küche, und noch bevor sie von dort wieder auftauchte, war ich gegangen.
    Auf der Straße spürte ich, dass ich ein wenig zitterte. Ich war zum ersten Mal von der jungen Frau bedient worden, aber selbst wenn sie mir in den vergangenen Wochen regelmäßig mein Frühstück gebracht hätte, wie konnte sie wissen, wie es um mich stand? Ich schaute an mir herunter und konnte nichts Verdächtiges feststellen. Allenfalls meine Schuhe, die an den Spitzen ein wenig abgestoßen waren, aber das waren sie auch schon gewesen, als ich noch jeden Morgen bei Walter & Kremer am Schreibtisch gesessen hatte.
    Ich ging ziellos umher und setzte mich schließlich in einen Park. Nicht weit von mir saßen ein paar Jugendliche auf einer riesigen Decke und picknickten. Im Grunde interessierte ich mich nicht für sie, trotzdem merkte ich, dass sie mir gegen den Strich gingen. Vielleicht ihrer guten Laune wegen, vielleicht auch nur, weil sie ihr ganzes Leben noch vor sich hatten. Ich wechselte die Bank und setzte mich in eine ruhigere Zone des Parks,
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