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Ich sehe dein Geheimnis

Ich sehe dein Geheimnis

Titel: Ich sehe dein Geheimnis
Autoren: Kim Harrington
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Zwei
    Neun Tage zuvor
    »She’s a super freak! Super freak! She’s superfreaky, yow!«
    Ich stand vor einem Regal im Supermarkt, als Billy Rawlinson und Frankie Creedon plötzlich auf der anderen Seite auftauchten und wie Präriehunde über die Müslischachteln lugten. Ich rollte die Augen, und sie brachen in das gackernde, nervige Gelächter aus, das solche Verlierer mit niedrigem IQ nun mal hervorragend beherrschen. Angesichts ihres Verhaltens hätte man uns für Grundschüler halten können. Aber ich war sechzehn und es war der Sommer vor meinem Eintritt in die elfte Klasse. Billy und Frankie hatten die Schule schon vor einem Monat beendet, doch ich war sie immer noch nicht los. Sie hatten es schon seit dem Kindergarten auf mich abgesehen und ihr Repertoire seither nicht großartig erweitert. Mit dem Text von »Super Freak« hatten sie mich schon viele Dutzend Mal beglückt.
    Ich tat das einzig Richtige: Ich ignorierte sie und brachte meine Einkäufe zur Kasse. Zum Nachteil aller Beteiligten folgten sie mir.
    »Was kaufst du denn, Clare?«, fragte Bill. »Kerzen? Kristallkugeln?«
    Tatsächlich kaufte ich einen halben Liter Cola light und eine Packung Donuts mit Puderzucker. Ein echtes Siegerfrühstück. Ich reichte dem Kassierer einen Zehner, drehte den beiden weiterhin den Rücken zu und reagierte nicht.
    »He«, näselte Frankie, »wir reden mit dir, du Freak.« Er stieß mir seinen Finger ins Schulterblatt.
    Und das war ein Fehler.
    Über den einen oder anderen dummen Kommentar konnte ich hinwegsehen. Aber einen Schubs? Auf keinen Fall. Ich hob den Ellbogen und rammte ihn Frankie in den Unterleib.
    Er stöhnte und krümmte sich zusammen.
    Ich wirbelte herum und schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln. »O nein, hast du meinen Ellbogen abbekommen, als ich das Wechselgeld eingesteckt habe? Tut mir leid, Frankie. Du solltest lernen, anderen nicht so dicht auf die Pelle zu rücken.«
    Frankie war damit beschäftigt, sich nicht zu übergeben, aber Billy sah mich mit zusammengekniffenen Augen an: »Das wirst du bereuen.«
    Ich nahm meine Tasche und verließ das Geschäft erhobenen Hauptes. Es war nicht das erste Mal, dass ich derartigen Ärger bekam, und es würde auch nicht das letzte Mal sein.
    In der Schule hatte einmal jemand »666« auf mein Schließfach gekritzelt. Und ich wurde so oft als »Freak« bezeichnet, dass man es für meinen Vornamen hätte halten können. Meine Mitschüler hatten sich unzählige Male über mich lustig gemacht, hinter meinem Rücken getuschelt und mit dem Finger auf mich gezeigt.
    Verdient hatte ich es nicht. Entgegen der allgemeinen Überzeugung war ich keine Teufelsanbeterin oder Satanistin.
    Aber ich war anders .
    Und anders war anscheinend schlecht.
    Eastport ist eine Touristenstadt auf Cape Cod. Hier lebt eine Familie voller Freaks – meine Familie. Ich habe übersinnliche Kräfte. Mein Bruder ist ein Medium. Meine Mutter ist Telepathin. Die Touristen lieben uns, die Einwohner verachten uns.
    Ich heiße Clarity »Clare« Fern. Mein Bruder heißt Periwinkle »Perry« Fern. Was haben unsere Eltern sich bloß dabei gedacht? Vielleicht fragten sie sich, wie sie an ihren nächsten Acid-Trip kommen sollten. Der Name meiner Mutter ist Starla, aber Perry hatte eines Tages ihre Geburtsurkunde entdeckt und herausgefunden, dass sie als »Mary« geboren worden war. Über diesen Fund war meine Mutter nicht gerade begeistert und machte uns unmissverständlich klar, dass wir niemandem davon erzählen sollten, wenn uns unsere Leben lieb seien.
    Wir wohnten in einem großen viktorianischen Haus in einem belebten Stadtteil nahe der Uferpromenade. Meine Eltern hatten es nach ihrer Hochzeit gekauft und die »spiritualistische Gemeinde« verlassen, in der beide aufgewachsen waren. Es ist ein wundervolles altes Haus ohne fest ansässige Hausgeister. Im Erdgeschoss betrieben wir unser Familienunternehmen: Wahrsagerei.
    Perry wartete auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt auf mich. Ich stieg zu ihm ins Auto und war regelrecht erleichtert, dass der Motor noch lief. Der acht Jahre alte Honda Civic hatte schon 190000 Kilometer auf dem Buckel. Perry hätte gern ein neues Auto, aber Mom erlaubte es nicht, solange das alte noch funktionierte. Also startete er jeden Morgen den Motor und hoffte auf ein Klick-klick-klick , aber die Kiste wollte einfach nicht den Geist aufgeben.
    Als Perry auf die Hauptstraße bog, vergewisserte ich mich im Rückspiegel, dass die beiden Versager uns nicht in ihrem Pick-up
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