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Wächter des Elfenhains (German Edition)

Wächter des Elfenhains (German Edition)

Titel: Wächter des Elfenhains (German Edition)
Autoren: Susanne Gavénis
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schweigend Platz, ließ sie zur Mitte der Menge durch, wo Maifell und der Rat warteten.
    Als Maifell Andion erblickte, begannen ihre Augen zu strahlen, als sei plötzlich eine dunkle Wolke von ihr gewichen, die das Licht und die Wärme ihrer Seele an einem kalten, finsteren Ort gefangen gehalten hatte, und ehe noch einer der übrigen Elfen etwas zu sagen oder zu tun vermochte, flog sie in Andions Arme.
    Neanden schwankte bedrohlich, als er so plötzlich seiner Stütze beraubt wurde, doch er hätte Andion den Moment des Wiedersehens um nichts auf der Welt verderben wollen. Er lächelte, als er sah, wie Andion die Umarmung beinahe scheu erwiderte, als könne er selbst noch nicht glauben, dass er tatsächlich siegreich aus dem Kampf gegen seinen Vater hervorgegangen war, aber Neanden spürte auch, wie dieser Unglaube von Sekunde zu Sekunde mehr von seiner Freude und seinem Glück hinfortgespült wurde.
    Für einen langen, kostbaren Moment gehörten die beiden nur sich allein, versank die Welt um sie herum in Bedeutungslosigkeit. Schließlich schien Maifell widerstrebend zu dem Schluss zu gelangen, dass der weitere Austausch von Zärtlichkeiten noch eine kurze Zeit würde warten müssen. Sie löste sich von Andion, trat zu Neanden und schloss auch ihn in die Arme.
    „Ich danke dir,“, flüsterte sie.
    Neanden lächelte. „Ich hatte es dir versprochen, nicht wahr?“
    Maifell erwiderte sein Lächeln, dann kehrte sie zu Andion zurück. Wie selbstverständlich nahmen sie und Neanden Andion in ihre Mitte, als sie vor den Rat traten.
    Auch Rilcaron wirkte durch die dramatischen Geschehnisse des Morgens spürbar in seinem Selbstvertrauen erschüttert. Von der eisigen Herablassung und Arroganz, die er stets im Umgang mit Andion an den Tag gelegt hatte, war nun nichts mehr geblieben, und in seinen Augen, deren grimmiger, mitleidloser Blick früher selbst einen Felsen zum Erzittern gebracht hätte, stand fast so etwas wie Angst, als er sie einen Moment lang wortlos musterte, ehe er tief Luft holte und mit belegter Stimme zu sprechen begann.
    „Wir wissen von Maifell, was mit Gairevel geschehen ist. Und wir wissen, dass ihr aufgebrochen seid, um Ogaire zum Kampf zu stellen.“ Er schluckte, und ein Beben lief plötzlich über seine Gestalt, als fürchte er die Wahrheit, die seine nächsten Worte unweigerlich enthüllen würden. „Ist Ogaire ... ist er tot?“
    Neanden und Andion wechselten einen schnellen Blick. Sie verstanden sich stumm, und so begann Neanden dem Rat mit knappen Worten zu schildern, was sich auf der geschändeten Lichtung zugetragen hatte. Als er zu dem Moment kam, in dem er seinen zweiten Pfeil abgeschossen hatte, hielt er inne und lächelte Andion aufmunternd zu. Sein Teil der Geschichte war zu Ende, den Rest musste Andion berichten. Er tat es, doch Neanden spürte deutlich seine Furcht, der Zorn und das Misstrauen der Elfen könnten sich abermals gegen ihn wenden, wenn er sich allzu selbstbewusst als Retter ausgab. Unwillkürlich trat er einen Schritt näher zu ihm und fuhr fort, als Andions Erzählung plötzlich ins Stocken geriet. Natürlich hatte er es der Erwähnung nicht für wert befunden, dass er sein eigenes Leben für den Hain hatte opfern wollen. Neanden stellte es dafür um so deutlicher heraus, und nicht nur Maifell, sondern auch viele andere Elfen musterten ihn überrascht, als er erklärte, auf welche Weise er Andion aus dem Abgrund des Todes zurückgeholt hatte. Als schließlich auch er nichts mehr zu sagen wusste, senkte sich tiefes Schweigen über den Platz, das nur hier und da von einem halb ungläubigen, halb verblüfften Raunen unterbrochen wurde.
    Neanden achtete nicht darauf. Gespannt wartete er auf die Reaktion des Rates, während er sich gleichzeitig wünschte, irgendetwas tun zu können, um Andion ein wenig von seiner Befangenheit und seiner Angst zu nehmen und ihm das Gefühl zu geben, dass er nicht länger alleine stand. Beruhigend legte er ihm eine Hand auf den Arm, und plötzlich wusste er, was er noch sagen musste.
    „Ogaire hat uns allen viel genommen. Ich verlor meine Tante und meinen Vater, aber heute habe ich auch etwas gewonnen.“ Er sah zu Andion und lächelte. „Einen Bruder.“
    Andions Augen weiteten sich. „Bist du sicher?“, fragte er so leise, dass niemand außer Neanden ihn verstehen konnte.
    Neanden nickte bestimmt, und sein Lächeln vertiefte sich. Niemals war er sich einer Sache sicherer gewesen. Von heute an würde er für Andion eintreten, ihn
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