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Wächter des Elfenhains (German Edition)

Wächter des Elfenhains (German Edition)

Titel: Wächter des Elfenhains (German Edition)
Autoren: Susanne Gavénis
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verteidigen und für ihn sprechen, so wie er es von Anfang an hätte tun sollen. Und er würde sofort damit beginnen, sollte es einer der Ältesten wagen, die Lauterkeit von Andions Motiven und Handlungen weiterhin in Zweifel zu ziehen. Er straffte seine Gestalt, und seine Miene wurde hart. Herausfordernd blickte er Rilcaron an.
    Erstaunlicherweise hielt dieser seinem Blick nur eine Sekunde lang stand, dann wandte er den Kopf und sah zu Andion hinüber.
    „Tritt vor!“
    Andion gehorchte zögernd.
    Neanden blieb dicht hinter ihm, Maifell ebenfalls.
    Den Blick starr auf den Boden geheftet, die Haltung angespannt, als rechne er jede Sekunde damit, von groben Händen gepackt und aus dem Dorf geschleift zu werden, verharrte Andion schließlich vor dem Ältesten.
    Neanden presste grimmig die Lippen aufeinander und spürte, wie kalter Zorn in ihm zu pochen begann, während er Rilcaron argwöhnisch beobachtete, ihn keinen Moment lang aus den Augen ließ. Nur ein falsches Wort, eine herablassende Bemerkung oder Anschuldigung, und die Ältesten würden erfahren, dass die ängstlichen Lämmer Zähne bekommen hatten, die sie auch zu gebrauchen verstanden. Die Welt hatte sich verändert, und sie würde niemals wieder die gleiche sein, und ob sie das nun begriffen oder nicht, er würde nicht zulassen, dass ihre Engstirnigkeit und Ignoranz sein Volk weiterhin an eine Vergangenheit fesselte, die schon längst zu einer bloßen Erinnerung geworden war. Allein der Anblick Andions, der dastand wie ein geprügelter Hund, der den nächsten verächtlichen Fußtritt erwartet, statt von den anderen Elfen jubelnd und singend auf ihren Schultern durch den Wald getragen zu werden, ließ bittere Galle in seine Kehle steigen und fachte die Wut in ihm noch weiter an.
    Worauf, bei allen Bäumen, wartete Rilcaron? Er betrachtete Andion schweigend, und seine Miene blieb ausdruckslos, ließ nichts von seinen Gefühlen nach außen dringen. Fast schien es, als wolle er überhaupt nicht mehr zu sprechen beginnen, doch als er es schließlich tat, klang seine Stimme überraschend sanft, und in seine Augen trat ein eigenartiger Schimmer, wie Neanden ihn niemals zuvor bei ihm wahrgenommen hatte.
    „Sieh mich bitte an, Junge.“
    Zaghaft hob Andion den Blick.
    Rilcaron seufzte tief, und ein seltsam wehmütiges Lächeln glitt über sein Gesicht, so traurig und schmerzerfüllt, dass es Neanden beinahe selbst wehtat.
    „Es gibt keinen Grund für dich, dein Haupt vor uns zu beugen. Nicht du, sondern wir sind es, die beschämt den Blick senken und um Vergebung bitten müssen. Statt Ionosens Worten Vertrauen zu schenken und dir unsere Hand in Freundschaft zu reichen, haben wir von Anfang an niemals etwas anderes als das Erbe deines Vaters in dir gesehen. Wir haben zugelassen, dass unsere Verzweiflung und unser Hass uns blind gemacht haben für die Wahrheit, die doch die ganze Zeit über offen vor unseren Augen lag. Niemals haben wir dir einen Anlass gegeben, uns mit Respekt und Achtung zu begegnen. Wir haben dich beschimpft und gedemütigt, dir deinen Namen genommen und dich wie ein wildes Tier in einen Käfig gesperrt, und doch hast du keine Sekunde gezögert, uns und den Hain unter Einsatz deines Lebens zu retten.“
    Er hielt kurz inne und sah Andion ernst an. „In der Reihe deiner Ahnen gab es viele große Männer und Frauen. Ogaire hat keinem von ihnen jemals Ehre erwiesen. Er hat den Namen und das Blut der an’Tairdyms besudelt und Schrecken und Furcht gesät, wo eigentlich Weisheit und Güte hätten gedeihen sollen. Doch deine Opferbereitschaft und dein Mut waren noch größer als die Grausamkeit deines Vaters. Deshalb werden wir Ogaire aus unseren Gedanken und unseren Herzen verbannen, so als habe es ihn nie gegeben. Dir allein steht ab heute das Recht zu, Namen und Erbe des Geschlechts der an’Tairdyms zu tragen und weiterzugeben, Andion an’Tairdym.“
    Neanden spürte, wie Andion erbebte. Zum ersten Mal hatte Rilcaron ihn Andion genannt, nicht mehr An. Doch noch schien er sich nicht ganz sicher zu sein, was das für ihn bedeutete.
    „Heißt das, ich ... muss den Hain nicht wieder verlassen?“
    Rilcaron schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht.“ Wieder erschien ein Lächeln auf seinen Lippen. Es wirkte beinahe verschmitzt. „Außerdem glaube ich, dass das gar nicht so einfach wäre.“
    „In der Tat!“, rief Maifell und schob sich demonstrativ an Andions Seite.
    Andion erbebte noch stärker. Er wandte den Kopf, sah Neanden an.
    Neanden
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