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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest
Autoren: Rainer Nikowitz
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als Suchanek reinkam. Grasel saß hinter der Bar und sah von seiner Zeitung auf.
    «Gibt’s doch nicht!», stieß er hervor. «Der verlorene Sohn! Alter! Was machst du denn hier? Neinnein, lass mich raten: Du bist der Chef des Heimeder-Kurtl-Fanclubs und darfst ihm am Samstag das Handtuch zum Schweißabwischen reichen.»
    Suchanek lächelte gequält. «Meine Eltern sind auf Urlaub. Und ich muss das Haus hüten.»
    «Wir haben uns ja ewig nicht mehr gesehen. Was treibst du immer so?»
    Suchanek entschied sich ohne weiteres Nachdenken für die wahrheitsgemäße Antwort: «Nichts.»
    Grasel grinste: «Ah eh. Ein Bier?»
    Suchanek hatte kurz ein Bild von sich selbst im Kopf. Er lag im Garten seiner Eltern und zündete sich eben einen riesenhaften Joint an. Dieses hehre Ziel galt es, ohne über Gebühr unhöflich zu wirken, in der kürzestmöglichen Zeit zu erreichen.
    «Nur ein kleines, ich hab den Hund im Auto. Der läuft Amok, wenn ich zu lange weg bin», log er. «Was gibt es Neues?»
    Grasel fischte ein Glas von einem Regal und zapfte das Bier. «Was Neues? In Wulzendorf? So lang kannst du aber nicht weg sein, dass du die Frage ernst meinst.»
    «Reichen fünfzehn Jahre?»
    Grasel schüttelte den Kopf. «Never ever. Das sind ungefähr 100  Jahre zu wenig.»
    «Wie geht’s denn dir so?»
    «Ach, kann mich nicht beklagen. Diese ganzen Supermodels haben halt meine Adresse immer noch nicht herausgefunden. Aber sonst … Kennst mich ja, ich hab immer meinen eigenen Film laufen.» Grasel spreizte den Daumen und den kleinen Finger von seiner rechten Faust ab und machte eine schaukelnde Bewegung neben seinem Kopf, um zu verdeutlichen, wo sein Kino war. «Und so hält man’s dann auch in Wulzendorf aus.»
    Suchanek zündete sich eine Zigarette an. «Und die anderen?»
    Was sollte man schon groß sagen zu den anderen. Eh erwartungsgemäß, so weit. Drei Kinder schon, Wahnsinn. Und die sind geschieden, stell dir vor, dabei waren sie doch das Traumpaar, weißt du noch? Und der Ding ist ein arbeitsloser Alkoholiker. Naja, war eh klar, dass das einmal so kommt.
    Nach einer Weile fand Suchanek, dass das Opfer für den Gott des Smalltalks jetzt ausreichend dimensioniert sei. Er räusperte sich: «Du, und wie gehen die Geschäfte?»
    «Ich kann mich nicht beklagen. Mit der Tankstelle allein würde es nicht gehen. Aber seit der Ziehrer-Wirt zugesperrt hat, bin ich das einzige Lokal. Das passt schon.»
    «
Die
Geschäfte hab ich eigentlich nicht gemeint. Ich täte da nämlich was kaufen wollen, wenn du was hättest.»
    Grasel verstand den eminent subtilen Hinweis. «Ach so. Naja, im Moment gibt es da zwar einen kleinen Engpass – aber ein bissl was geht immer.»
    Er verschwand nach hinten und kam kurz darauf mit einem kleinen Sackerl zurück. Alle Last der Welt fiel ab von Suchanek.
    «Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie dankbar ich dir bin. Was bekommst du?»
    «Aber nein», sagte Grasel mit gespielter Entrüstung. «Das geht aufs Haus. Schließlich schneist du ja nicht jeden Tag hier herein. Kommst du eigentlich heute aufs Volksfest?»
    Suchanek schüttelte angewidert den Kopf. «Oh Gott, nein. Ich werd mir’s zu Hause gemütlich machen», sagte er und griff nach dem Sackerl. Doch plötzlich zog Grasel seine Hand zurück.
    «Da fällt mir was ein … Du weißt doch, am Samstag haben wir das Hansi-Burli-Gedenkmatch.»
    Wie immer am Volksfest-Samstag. Ja, natürlich. Die Ledigen gegen die Verheirateten. Eine Mordsgaudi für jeden, der, wie Suchanek jetzt zum Beispiel überhaupt nicht, für Mordsgaudis empfänglich war. Der Hansi-Burli war das größte fußballerische Talent gewesen, das Wulzendorf jemals hervorgebracht hatte. Einmal hatte man ihn sogar zu einem Probetraining bei der Admira eingeladen. Aber da waren ihm dann leider die Nerven dazwischengekommen. Die hatte der Admira-Trainer an der Fahne gerochen, die schon ein paar Meter vor dem Hansi-Burli am Platz gewesen war, weil er doch zur Beruhigung ein bisschen was getrunken hatte. Eh nicht viel. Aber da war der Trainer irgendwie eigen gewesen. Also war der Hansi-Burli dem SC  Wulzendorf erhalten geblieben, zumindest so lange, bis er dem Ladinger Heinz, dem einzigen Bernhardsauer, der sich jemals bei Wulzendorf zu spielen getraut hatte, einen Gefallen tat.
    Der bestand darin, dass er ihn am Volksfestsamstag vor 25  Jahren oder so nach Hause bringen wollte, weil man dem Ladinger Heinz gleich bei der Ausfahrt vom Parkplatz den Führerschein abgenommen hatte. Und der
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