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Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone

Titel: Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone
Autoren: Mark Brandis
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Mark Brandis
    Ambivalente Zone
    Erster Teil der Kosmonen-Saga
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    1.
    Eines Tages hielt ich es nicht mehr aus. Die gleichförmige Leere vor dem Fenster machte mich krank.
    Wann genau das geschah, kann ich nicht sagen. Niemand weiß es -denn auf Cosmopol gab es nicht, was überall sonst den Maßstab setzt. Es gab keine Zeit. Lediglich ein Paar Uhren mit unbeweglichen Zeigern ließen ahnen, daß es nicht immer so gewesen war. Ein weiterer Zeuge für den stattgefundenen Umbruch war die Sprache. Mit altertümlichem Starrsinn staffelte sie die Abläufe in klar voneinander getrennten Ebenen - eine Unlogik, an die man sich längst gewöhnt hatte.
    Wie gesagt, es war unter anderem die Leere vor dem Fenster, was mich davontrieb. Mehr und mehr drohte sie zum Spiegel meiner selbst zu werden. Gegen Cosmopol selbst ließ sich im Prinzip nichts vorbringen. Cosmopol war eine perfekte abgeschlossene Welt irgendwo in der großen Leere, das technische Meisterwerk vergessener Erbauer -eine Welt, in der es an nichts fehlte.
    Nur, daß Cosmopol nie ganz zu dem geworden war, was es ursprünglich hätte sein sollen, nämlich der Brutkasten einer Population idealer Raumfahrer. Mit dem Kosmonen aus der Retorte sollte zugleich die uralte biologische Zweiteilung der Menschheit aus Gründen der Zweckmäßigkeit überflüssig gemacht werden. An die Stelle von Zeugung und Geburt trat das Labor. Verfehlungen, die es gelegentlich gegeben hatte, war mit drakonischen Strafen begegnet worden, und fortan wurde der Ernährung etwas beigemischt, was alles sexuelle Verlangen unterband. Man nannte es Neutralin.
    Aber noch bevor das ehrgeizige Projekt seinen erfolgreichen Abschluß hatte finden können, erschütterte eine Katastrophe die Milchstraße. Cosmopol wurde hinauskatapultiert in die große Leere der Zeitlosigkeit; alle Verbindungen zum Mutterplaneten Erde rissen ab. Allmählich verblassten sogar die Erinnerungen. An ihre Stelle traten Sagen und Legenden.
    Geblieben war das Ärgernis der Zweiteilung, für die es keine konkrete Aufgabe mehr gab. An seiner Beseitigung wurde nach wie vor gearbeitet, und irgendwann, daran zweifelte ich nicht, würde der ausgereifte geschlechtslose Kosmone aus der Retorte steigen. Bis dahin unterschieden Wissenschaft als auch Amtssprache zwischen dem muskulösen M-Typ und dem etwas kleineren, rundlicheren W-Typ. Und nur in der Alltagssprache gab es den Mann und die Frau.
    Nein, ich verstand mich selbst nicht. Eigentlich hätte ich mit meinem Los zufrieden sein müssen. Und trotzdem rebellierte ich innerlich gegen den einlullenden Zustand ohne Zeit und Geschichte, gegen ein Leben, in dem nichts geschah und das keine Aufgaben stellte. Immer wieder waren es dieselben Gesichter, in die ich sah, vertraute Gesichter ohne eine Spur von Wandlung. Und immer wieder wußte ich: das würde sich nie ändern. Nicht morgen, nicht in einer Woche, nicht in einem Jahr, nicht in Tausenden von Jahren. Nie.
    Selten nur kam es vor, daß ein neues Gesicht nachrücken durfte. Denn obwohl Tod ebenso wie Zeit zu den dunklen Legenden gehörten, die nicht auszurotten waren, kam es doch vor, daß eines der Schiffe samt Besatzung aus dem gähnenden Schlund des Nichts nicht mehr herausfand. Für die Population war das kein dauerhafter Verlust. In den Labors war genug Genmaterial gespeichert, um im Handumdrehen Kopfzahl und Norm wiederherzustellen.
    Auch ich war auf diese Weise plötzlich dagewesen.
    Ich weiß: Ich trat hinaus in das Licht und hinter mir schloß sich die kosmische Sperre und löschte das Erinnern aus an das, was vor diesem Schritt gewesen sein mochte.
    Ich war ein Kosmone, austauschbar, belegt mit einem Namen aus der Lostrommel, aber fertig: angereichert mit dem Wissen und den Kenntnissen eines SCOUT-Kommandanten.
    Seitdem zählte ich zum fliegenden Personal. Tag für Tag stieg ich in das Cockpit meiner SCOUT, um den leeren Raum um unsere Kunstwelt nach Veränderungen abzusuchen, und Tag für Tag kehrte ich mit der gleichen stereotypen Auskunft zurück: Nichts.
    Aber es gab auch die Träume mit ihren unerklärlichen märchenhaften Bildern und der unendlichen Sehnsucht, die sie hinterließen.
    Und so trug ich schließlich meinen Vorsatz, Cosmopol zu verlassen, dem Großmeister vor. Anfangs ließ er mich reden, aber irgendwann gebot er mir mit einer Handbewegung Schweigen.
    „Brandis", sagte er, „gehen wir an Ihren Fall doch mal realistisch 'ran! Angenommen, Sie bekämen die SCOUT, um die Sie mich gebeten haben, was würde dann das
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