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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest
Autoren: Rainer Nikowitz
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Suchanek öffnete die Augen.
    Wie jetzt.
    Wie jetzt!
    Rund um die leicht schiefen Holzwände flossen zwei Feuerbäche aufeinander zu, die sich mit einem satten Fluscher zu einem Ring schlossen. Dann begannen die Flammen schnell hochzukriechen. Der Mantler brannte. Schon wieder.
    Da war eine Gestalt.
    Auf dem Schotterweg, der entlang des Grabens an den Höfen vorbeiführte, stand ganz am Rand des Wäldchens jemand und beobachtete einen Moment lang das Feuer. Dann verschwand die schwarze Silhouette hinter den Bäumen.
    So.
    Jemand müsste die Feuerwehr verständigen, dachte Suchanek. Kaum eine Minute und einen weiteren Zug vom Joint später kam ihm die bestechende Idee, dass dieser Jemand nach Lage der Dinge eigentlich auch er sein könnte. Andererseits standen um halb vier in der Nacht sicher jede Menge Wulzendorfer auf ihren Balkonen oder in ihren Gärten, weil sie ihr Gras auch nicht im Haus rauchen durften, und die alle eilten hundertprozentig in diesem Moment zu ihren Telefonen.
    Wobei, was wählte man da überhaupt? Dasselbe wie in der Stadt, also … keine Ahnung was? Sollte man nicht besser gleich den Feuerwehrhauptmann anrufen? Das war ja das Schöne am Dorfleben, dass man einander kannte und zum Beispiel dem Feuerwehrhauptmann viel schonender als irgendeine anonyme Notrufzentrale beibringen konnte, dass es bitte brannte und er jetzt vielleicht aufstehen sollte, um …
    Wer war denn der Feuerwehrhauptmann?
    Suchanek stöhnte gequält, sog ein letztes Mal an seiner schon winzigen Kippe, schnippte sie dann über die Brüstung und taumelte, nunmehr wild entschlossen, seine Bürgerpflicht zu erfüllen, zu seinem Handy. Der Grasel musste noch wach gewesen sein, so schnell wie er abhob.
    «Wer ist der Feuerwehrhauptmann?»
    In diesem Moment begann eine Sirene zu heulen, wurde wieder leiser, schwoll wieder an, dreimal. Jemand war trotz der kaltblütigen und blitzschnellen Reaktion Suchaneks um einen Hauch schneller gewesen.
    «Der Fünfer-Mantler», sagte Grasel. Er wohnte am anderen Ende des Dorfes und konnte unmöglich gesehen haben, wo das Feuer war.
    «Woher weißt du das denn schon?»
    «Was heißt ‹schon›? Seit ich denken kann, ist der Fünfer der Feuerwehrhauptmann. Sag, weißt du, wo’s brennt?»
    Suchanek ging zurück zum Balkon. Neben der wabernden und knackenden Scheune konnte er jetzt drei Menschen ausmachen, die aufgeregt gestikulierten.
    «Beim Mantler brennt die Scheune. Ist aber sicher eh nur Stroh drin», sagte Suchanek.
    «Stroh. Dumm.» Manchmal war der Grasel witzig. Manchmal auch nicht. «Siehst du hin?», fragte er.
    «Erste Reihe Balkon. Das hat sicher einer angezündet. Ich hab wen gesehen.»
    «Wen?»
    «Was weiß ich? Einen Menschen halt.»
    «Das schränkt den Täterkreis schon einmal drastisch ein.»
    «Mehr konnte ich nicht erkennen.»
    «Schon wieder beim Fünfer. Dann kommen als Nächstes wahrscheinlich bald der Neuner-Ranreiter und der Palenak.»
    Suchanek erinnerte sich natürlich. Damals hatten binnen weniger Wochen drei Scheunen gebrannt. Und Suchanek war das erste und einzige Mal in seinem Leben in der Zeitung gewesen. Nach dem letzten Feuer hatte einer von der «Krone» von ihm und der Susi ein kreatives Foto vor der abgebrannten Scheune gemacht. Sie zeigten darauf auf die abgebrannte Scheune. Und drunter stand dann «Wulzendorfer Kinder zeigen auf die abgebrannte Scheune». Und der ganze Artikel hieß völlig überraschend: «Scheune abgebrannt. Ein Dorf in Angst vor dem Feuerteufel!»
    Wer die Stadln angezündet hatte, ließ sich nie herausfinden. Die Dorfmeinung kam schließlich überein, dass wohl einer von den drei Betroffenen die Versicherung ganz gut hatte brauchen können und die beiden anderen zur Tarnung mit abgefackelt hatte. Am ehesten traute man so etwas dem Palenak zu. Ein ewig mürrischer Kleinhäusler, der Einzige von den dreien ohne Nummer im Namen. Er hatte den Hof damals erst neu von seinem Vater übernommen, auf Bio-Landwirtschaft umgestellt und gewaltige Geldprobleme gehabt. Damals gab es das hartnäckige Gerücht, der Palenak habe eine besondere Technik entwickelt, die es ihm erlaube, in der Kirche in den Klingelbeutel nicht nur nichts reinzulegen, sondern sogar unbemerkt etwas rauszunehmen.
    «Und da behauptest du, in Wulzendorf gibt es nie was Neues», sagte Suchanek.
    «Ist ja auch nichts Neues. Alles vor zwanzig Jahren schon einmal da gewesen.»
    «Sag, gibt’s eigentlich den Palenak noch?»
    «Darf ich aus deiner Frage eine leichte Tendenz zur
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