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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest
Autoren: Rainer Nikowitz
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Spinat trugen, sah Suchanek den Spakowitsch Edi, den Pfarrhofer René, den Neuner-Ranreiter, den Urban Ernstl, ein paar andere bekannte Gesichter und einen Haufen unbekannte junge. Aber keinen Mantler.
    «Wo ist denn der Fünfer leicht?», wagte es Suchanek die Unterhaltung weiterzuführen.
    «Auf Polen gefahren. Zur Pflüger-Weltmeisterschaft. Mit dem Buben.» Kanschitz wies mit dem Kopf in Richtung des Stalles. In einem der Fenster hing ein Plakat, auf dem Mantler junior drauf war. «Gregor Mantler pflügt für Österreich!», stand über seinem Foto. Und darunter die schöne Parole: «Pflugscharen zu Schwertern!»
    «Der Suchanek! Ich halt’s nicht aus!», rief plötzlich jemand. Es war ORF   1 . Also, der junge Dreizehner-Gärtner. Genau genommen der ältere von den beiden Jungen. Der Poldi halt.
    Kinder sind ja bekanntlich grausamer als Stalin und Pol Pot. Die Brüder Leopold und Robert Gärtner aus dem Dreizehner-Haus wussten das nur zu gut. Die ja ebenfalls zur Grausamkeit neigende Natur hatte im Verein mit den unglücklicherweise dominanten Genen des nicht gerade schrumpfköpfigen Vaters dafür gesorgt, dass die beiden mit ausgesprochenen Quadratschädeln ausgestattet worden waren. Wäre nun der Flatscreen damals schon erfunden gewesen, hätte das den Dreizehner-Buben möglicherweise ihre Kindheit gerettet. Aber so. So hatten ihre Altersgenossen wegen der Ähnlichkeit ihrer Köpfe mit dem guten alten Röhrenfernseher für sie die Spitznamen ORF   1 und ORF   2 gefunden.
    Ansonsten verband Suchanek mit dem Poldi eigentlich nichts, nicht einmal die gemeinsam abgesessene Volksschulzeit. Es war eigentlich statistisch nahezu unmöglich, mit jemandem, mit dem man vier Jahre im selben Raum verbracht hatte, nicht mehr als sechs Worte gewechselt zu haben – im Falle von Poldi war es dem Suchanek geglückt. Jetzt war diese nahezu makellose Bilanz natürlich leider beim Teufel.
    «Du da?», fragte ORF   1 strahlend. «Wie lang haben wir uns schon nicht gesehen? Zehn Jahre?»
    «Eher fünfzehn», sagte Suchanek.
    «Und nach fünfzehn Jahren kommst du wieder einmal nach Wulzendorf – und schon brennt’s!», rief Poldi begeistert.
    Ein kurzer Blick in die Gesichter der Umstehenden – der Dreier-Kanschitz und seine Frau, die alte Nidetzky, die immer dabei war, wenn sich im Dorf irgendetwas Weitererzählenswertes ereignete, beide Neuholds – verriet dem Suchanek, dass die sich, jetzt, wo es der Poldi sagte, irgendwie dasselbe dachten: Ja. Nach fünfzehn Jahren kommt der kleine Suchanek wieder einmal nach Wulzendorf – und schon brennt’s.
    Suchanek spürte mit dem Instinkt einer angeschossenen Wildkatze, der ihn immer erfüllte, wenn er gekifft hatte, dass er rasch gegensteuern musste. «Ich war vorher am Balkon», sagte er rasch und wies mit dem Daumen vage über seine Schulter nach hinten. «Und ich hab da einen gesehen.»
    «Wen?», fragte die Nidetzky.
    In dieser Sekunde brüllte der Spakowitsch Edi in astreiner Vertretung seines abwesenden Kommandanten: «Wasser marsch!»
    Vier kraftstrotzende Jungmänner standen bereit, den Wasserstrahl zu bändigen, der jetzt gleich mit Hochdruck aus zwei Schläuchen schießen würde. Und zwar jetzt. Gleich. Sofort. Jetzt aber wirklich! Aber es kam nichts. Suchanek ertappte sich bei dem Wunsch, sie würden vorne in ihre Schläuche hineinschauen, wie sie es in quasi jedem Zeichentrickfilm getan hätten. Und dann …
    «Wasser … marsch?», wiederholte Spakowitsch mit nicht mehr völlig ungetrübter Überzeugung. Einige der Männer hantierten hektisch am Feuerwehrauto herum. Der Gärtner Robert, also ORF   2 , drehte den riesenhaften Quader auf seinen Schultern, für den sich doch tatsächlich ein annähernd passender Helm gefunden hatte, zu Edi um und hob hilflos die Arme.
    «Jessas na», fasste sein Bruder die Sachlage sehr stringent zusammen. «Die bringen kein Wasser zusammen.»
    Die kurze Ablenkung hatte die Nidetzky aber natürlich nicht ihr Anliegen vergessen lassen. «Suchanek! Wen hast du gesehen?»
    «Ich weiß nicht», sagte Suchanek unsicher. «Da ist einer gestanden, wie es angefangen hat zu brennen. Da drüben, beim Wald. Und dann war er weg.»
    Die Schaulustigen wurden langsam immer mehr. Und aus dem Halbdunkel beim Graben erschien jetzt im Laufschritt auch der Mann, der in Momenten wie diesen natürlich ganz besonders viel Last auf seinen Schultern trug: der Siebzehner-Stratzner. Der Ortsvorsteher.
    «Was ist da los?», dröhnte er. «Warum löschen die
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