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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest
Autoren: Rainer Nikowitz
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versteht keinen Spaß, das wussten sie in jedem Sadomaso-Keller.
    Suchanek nestelte aus der Brusttasche den völlig verbeulten Joint heraus, steckte ihn in den Mund, klopfte dann bedächtig alle seine Taschen ab und schaute schließlich mit seinem nicht zugeschwollenen Auge den immer noch mit besorgtem Gesicht neben ihm hockenden Wimmer in stummer Herausforderung an.
    Mit einer seine Nachlässigkeit entschuldigenden Geste griff der Kommissar in sein Sakko und gab Suchanek Feuer. Suchanek nahm einen tiefen Zug und hielt den Joint dann Wimmer hin. Der zog die Mundwinkel nach unten, wies mit dem Kopf über die Schulter und sagte: «Geht leider nicht.»
    «Wie spät ist es?», fragte Suchanek.
    Wimmer sah auf seine Uhr. «Halb sieben.»
    «Scheiße.»
    Wimmer half ihm auf die Beine. Als Suchanek sich umdrehte, kam gerade der Fünfer-Mantler daher. Er schaute sich mit gehetztem Blick um, verstand schließlich, sank in die Knie und starrte mit leerem Blick auf den Boden.
    Und ein anderer Mann, der am Straßenrand gestanden war, ging jetzt auf Wimmer und Suchanek zu und streckte dem Kommissar beide Arme entgegen.
    «Sie können mich jetzt festnehmen», sagte der Achter-Hiefler ruhig.
    Während Wimmer dem Mörder Handschellen anlegte, kam Schneckerl auf Suchanek zu. Er sagte nichts und wusste auch sichtlich nicht, was er Suchanek zuerst hinhalten sollte: den Doppler oder die Leine, an deren Ende der Hund wedelte.
    «Ich hab gut auf ihn aufgepasst», sagte er.
    «Auf dich ist halt Verlass, Schneckerl.»
    Der Hund schaute erwartungsvoll. Suchanek beugte sich herunter, hakte die Leine aus seinem Halsband aus und ließ das andere Ende in Schneckerls Hand. Dann nickte er dem Hund zu und ging schleppend los. Der Hund folgte ihm langsam.
    Sie waren noch nicht sehr weit gekommen, als sich ein Auto mit ziemlicher Geschwindigkeit näherte. Grasel bremste sich knapp vor ihm ein. Susi sprang heraus, starrte Suchanek entsetzt an und warf dann ihre Arme um ihn.
    «Suchanek, mein Gott, Suchanek. Du blutest, oh verdammt, wie du aussiehst! Bist du o.k.? Komm, wir bringen dich ins Spital.»
    Suchanek winkte müde ab.
    «Ich mach ja ungern den Spielverderber, Alter. Aber ich fürchte, du musst wirklich ins Krankenhaus», sagte Grasel. «Jetzt komm schon.»
    Suchanek hob eine Hand und tätschelte Grasel mit stockenden Bewegungen die Brust. Dann sagte er zu Susi: «Um acht bei dir?»
    Susi lächelte. Suchanek löste sich vorsichtig aus ihrer Umarmung und ging weiter.
    Am Anfang kamen ihnen nur vereinzelt Leute entgegen. Die Nidetzky war eine der Ersten. Sie sah Suchanek ungläubig an und zückte sofort ihr Handy, als er an ihr vorbei war. Dann wurden die Menschen immer mehr. Sie wichen zur Seite, wenn Suchanek auf sie zukam, als schöbe er eine unsichtbare Bugwelle vor sich her, die ihm Platz schaffte. Wenn er an ihnen vorbeiging, tuschelten die Kinder, Halbwüchsige stießen sich in die Rippen, und die Erwachsenen starrten ihn einfach nur an. Bald hinkte Suchanek durch ein nahezu geschlossenes Spalier von stumm glotzenden Wulzendorfern. Der ramponierte Hund trottete immer noch hinter ihm her.
    Bei der Kreuzung zur Hauptstraße bog Suchanek rechts ab, Richtung Hauptplatz. Dort, gegenüber von Susis Geschäft, standen die einzigen zwei Menschen, die nichts verstanden. Neben ihnen waren zwei große Koffer am Gehsteig. Sie sahen nur eine zerlumpte Gestalt, die sich auf der Straße dahinschleppte, begleitet von einem Trichterhund mit nacktem Arsch. Und sie sahen, dass die Menschenmenge, die dieses seltsame Paar hinter sich herzog, immer größer wurde.
    Dann stand Suchanek endlich vor seinen fassungslosen Eltern. Sein Vater nahm die Hände wieder vom Gesicht, beugte sich zu dem Hund herunter und sagte leise: «Oh, Gott! Was ist denn mit dir passiert – Hansi?»
    Plötzlich ein schrilles Kreischen. Leopardenflecken stürmten ins Bild.
    «Ich hab’s gerade erst gehört! Bist du in Ordnung, Darling? Ist dir auch wirklich nichts passiert? Oh, mein armer Liebling!», schrie die Burli-Urli, küsste den wehrlosen Suchanek ab und blieb schließlich in einer sorgenvollen Endlos-Umarmung an seiner Seite kleben.
    Suchanek wischte sich mit dem Handrücken einen blutigen Speichelfaden vom Kinn, betrachtete ihn anschließend interessiert, verzog dann seine aufgeplatzten Lippen zu einem schiefen Lächeln und sagte: «Hallo, Mama.»
    Es war für einen Laien praktisch nicht zu erkennen, welcher Muskel im Gesicht seiner Mutter nicht nervös zuckte. Sie sah über
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