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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest
Autoren: Rainer Nikowitz
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Wald hinein, und der Achter-Hiefler trampelte auch sogleich brav und so laut er konnte los, wie sie es ausgemacht hatten. Suchanek hatte sich dafür entschieden, den Mantlers den Achter, den sie ja nicht sehen konnten, als Grasel zu verkaufen, weil die ansonsten eventuell bezweifelt hätten, dass ein Doppelmörder nichts Besseres zu tun habe, als zur Polizei zu rennen. Und dann wäre der famose Plan nicht ganz so famos gewesen.
    «Wir wissen alles. Von dem Auto in der Lacke und vom Hiefler Andi», sagte Suchanek. «Jetzt sei vernünftig und bind den Bertl los. Und ich ruf die Rettung.»
    Der junge Mantler schaute in den Wald und dann wieder den Suchanek an. Er biss sich auf die Unterlippe.
    «Ich weiß, was du denkst, Gregor. Aber du kannst uns auf keinen Fall beide aufhalten.»
    Nein. Das konnte er natürlich nicht. Und wie das so langsam bei ihm sickerte, dass jetzt, wenn man den Andi und den Bertl so addierte, also fahrlässige Tötung, Fahrerflucht, unterlassene Hilfeleistung, Freiheitsberaubung, Nötigung, schwere Körperverletzung und was den Arschgeigen in der Justiz noch alles einfallen würde, wenn es galt, einen Burschen wie ihn kleinzukriegen, wie ihm also klarwurde, dass jetzt ganz schön viele Jahre auf ihn zukamen, die sich nicht zwischen Damenwahl am Jungbauernball und Trink-fünf-zahl-drei-Happy-Hours abspielen würden, und dass er, wenn er wieder rauskam aus dem Gefängnis, schon ordentlich alt sein würde, eigentlich viel zu alt, um eine Familie zu gründen und einen Hoferben zu machen, als er das alles in seiner ganzen Drastik kapiert hatte, bekam er einen weiß glühenden Zorn.
    Mit einem gellenden Schrei stürzte er auf Suchanek los. Wenn er schon bluten musste für diese ganze Sache, dann dieser unnötige Traumtänzer auch. Weil, was mischte der sich da überhaupt ein? Der Traumtänzer hatte so etwas Ähnliches allerdings erwartet und startete vielleicht eine Sekunde später weg.
    «Gregor, nicht! Lass ihn!», hörte Suchanek den alten Mantler rufen, der jetzt auch aus dem Stadl herausgekommen war. «Tu ihm nichts! Du machst es nur noch schlimmer!»
    Aber Gregor reagierte nicht. Schnaubend stürmte er hinter Suchanek her, den Feldweg am Graben entlang. Suchanek wusste, er musste irgendwohin flüchten, wo Menschen waren. Vielleicht sogar solche, die im Gegensatz zu ihm den Zweikampf nicht scheuten. Der Pfarrhofer René wäre eine hervorragende Lösung gewesen, allerdings hätte er dem in aller Schnelle vorlügen müssen, dass die Susi jetzt neuerdings auf den Gregor stehe und dass der sie gröblichst entehrt habe oder so. Bis er die Geschichte fertig hatte, hatte sich der Gregor allerdings an ihm schon sein Lebenslänglich redlich verdient.
    In Suchaneks Schädel pochte und klopfte es wie in einem schlecht gewarteten Dieselmotor, die Brust stach, und der Hals brannte, als hätte er Glas gegessen. Er näherte sich jetzt der Gstettenstraße. Nach links ging es zum Volksfestgelände und zur Hauptstraße, rechts zur Lacke und nach Hause. Links war die Chance, jetzt einmal bald auf Menschen zu treffen, also wesentlich größer. Folgerichtig bog Suchanek, ohne weiter nachzudenken, nach rechts ab.
    Abgesehen von dieser zarten Fehlleistung war Suchanek aber sehr gut unterwegs. Man konnte sogar sagen: Er lief, wie er noch nie gelaufen war. Eigentlich war es sogar schon mehr ein halsbrecherischer Tiefflug, Überschall, unter dem feindlichen Radar hindurch.
    Eigenartig war nur, dass, obwohl er so schnell rannte, wie weder Emil Zatopek noch Karoline Käfer, noch Ben Johnson am Zenit seiner Steroidsynthetik jemals gerannt waren, das Keuchen vom Gregor in seinem Rücken immer lauter wurde. Dies konnte zweierlei bedeuten. Zum Ersten natürlich, dass der kleine Mantler, von Suchaneks sensationeller Laufleistung völlig zermürbt, mittlerweile so hochgradig im anaeroben Bereich unterwegs war, dass er zur Deckung des Sauerstoffdefizits eine Blauwallunge benötigt hätte, die er nicht hatte, weshalb er so extrem laut keuchte und innerhalb der nächsten Zehntelsekunden mit seinem unausweichlichen Kollaps zu rechnen war.
    Möglich war aber auch, dass er immer näher kam.
    Wieso war da keiner auf der Straße? Tagelang war Suchanek durch das Dorf geschlichen in der Hoffnung, keinen zu treffen. Und jetzt hatte er es geschafft. Jetzt traf er endlich einmal tatsächlich keinen. Durch die Anstrengung sah er inzwischen nur mehr ganz verschwommen. Eigentlich konnte er nicht mehr. Sollte er nicht vielleicht einfach stehen
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