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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Inhaltsangabe
    Das giftigste Buch seit Heinrich Heine – so hat man diesen Roman Konsaliks bezeichnet, in dem er mit dem Schicksal einer Familie fünfzig Jahre deutscher Geschichte abrollen läßt. Meisterlich formt Konsalik diesen Stoff, schildert in seinen Gestalten pralles Leben und schuf mit seinem Heinrich Emanuel Schütze einen jener Menschen, die auch in fünfzig Jahren ihres Lebens, nach zwei verlorenen Kriegen und nach Millionen Toten nichts dazugelernt haben und die man einmal ›gute Deutsche‹ nannte.
    So ist auch Heinrich Emanuel Schütze im Grunde der gleiche geblieben: 1913 macht er das Kaisermanöver als junger Fähnrich mit, im Ersten Weltkrieg kommt er bis zum Hauptmann und zum unehelichen französischen Sohn, 1920 verkauft er als ›arbeitsloser‹ Offizier Margarine, bis ihm der Eintritt in die Reichswehr gelingt und er seine geliebte Uniform wieder tragen darf. Aber was er auch tut, immer ist es irgendwie falsch und doch richtig, wenn man das Leben nur aus dem Uniformkragen betrachtet. Und dann kommt Hitler, die neue Wehrmacht, das Großdeutsche Reich! Deutschland wächst … und Heinrich Emanuel Schütze wächst mit, wenn ihm auch vieles stinkend in die Nase zieht. Aber er trägt die Uniform. Und dann ein neuer Weltkrieg. Schütze wird hinausgeschickt, die Welt zu unterwerfen. Das mißlang bekanntlich, aber immerhin ist er jetzt Oberstleutnant, und der großdeutsche Trümmerhaufen um ihn herum schreckt ihn nicht. Er baut mit auf, er schiebt, er wird Textilfabrikant und liefert eines Tages Socken und Unterhemden an die neue deutsche Bundeswehr. Und endlich kommt auch für ihn die Erfüllung: Er blickt durch ein Scherenfernrohr und erlebt den großen inneren Triumph, daß ›Deutschlands Söhne wieder marschieren‹. Auf seinen Socken, auch wenn die Naht zu dick ist, wie er erfahren muß.
    Konsalik will mit diesem Roman einer Familie aufrütteln, er will die Angst und Verzweiflung der Mütter aufklingen lassen, er ruft nach Vernunft und Frieden.

1
    Auf dem Marktplatz von Trottowitz standen ein Trommler und ein Bläser.
    Sie standen da in strammer Haltung, Kreuz hohl, Brust raus, Gesäß nach außen gedrückt, und trommelten und bliesen in den frühen Morgen.
    Um das Dorf Trottowitz herum lagen die Felder und Wiesen, Wälder und sanften Senken der niederschlesischen Landschaft. Frühnebel stieg von ihnen auf, wallend wie im Zugwind wehende Tüllgardinen. An den Blättern der Bäume, an den Halmen der Gräser klebte wie farbloser Honig die Feuchtigkeit der Nacht. Irgendwo in den Nebeln schwamm die Sonne, fahlgelb, ein Klecks nur. Aber man sah ihre Wärme. Die Erde dampfte.
    Noch bevor der helle Klang des Hornes und das schnarrende, rhythmische Hämmern der Trommel über die schlafenden Bauernhäuser geisterten, stand Heinrich Emanuel Schütze bereits angezogen, in vollem Dienstanzug, am Fenster seines Quartiers. Nebenan, im Flur, hörte er das Filzpantoffelschlürfen des alten Glaukers. Der Bauer ließ seinen Hund heraus … das war die erste Arbeit. Mit ihr begann der Tag.
    Heinrich Emanuel Schütze zog seine silberne Uhr aus der Tasche und verglich die Zeit mit dem ersten Ton des Wecksignals. Die Uhr war ein Geschenk seines Vaters zum Einjährigen gewesen. Gleichzeitig mit der Annahme seines Antrages, als Einjährig-Freiwilliger im stolzen Heere Seiner Majestät zu dienen, hatte er sie überreicht bekommen. Es war ihm damals, als sei er damit erst ein Mann geworden: Soldat und eine Uhr. Das sind Begriffe, deren innige Verschmelzung mehr als eine Notwendigkeit bedeuten. Für Heinrich Emanuel Schütze waren sie zum Inhalt seines Lebens geworden.
    Zwei Minuten zu spät, stellte er stirnrunzelnd fest. Zwar würde es der Hauptmann nicht merken, denn er kam erst nach der Kaffeeausgabe; der Leutnant des ersten Zuges hatte ein Liebchen und würde zehn Minuten vor dem Hauptmann kommen; der Kompaniespieß schlief wie ein Bär, weil er jeden Abend besoffen war … nur er, der Fähnrich Heinrich Emanuel Schütze, hatte es gemerkt, und war nicht gewillt, diese zwei Minuten Verspätung im Tageslauf eines Soldaten still zu dulden.
    Er setzte seinen Helm auf, auf dessen feldgrauem Überzug die rote Zahl 10 stand, straffte seinen Uniformrock mit den roten Ärmelpatten und den gelben Schulterstücken, schnallte seinen Säbel um und verließ mit langen, kräftigen Schritten das Bauernhaus. Vor der Tür grüßte er knapp, aber freundlich den Bauern Glauker, wich dem ihn anspringenden Hund aus und verjagte ihn mit
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