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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst
Autoren: Heinz G. Konsalik
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um den Säbelknauf gekrallt. Freiherr v. Perritz sprach mit Hauptmann Stroy und Leutnant Petermann. Frau v. Perritz lachte einmal laut. Amelia war von den breiten Schultern Stroys verdeckt, aber ab und zu stellte sie sich auf die Zehenspitzen und blickte zu Heinrich Emanuel hinüber. Er nahm es wahr, fühlte sich auf einmal glücklich und ging, wie eine aufgezogene Puppe, mit durchgedrücktem Rücken in sein Quartier.
    »Seine Majestät wird selbst den Angriff befehligen, sagt man«, berichtete Freiherr v. Perritz. »Und König August von Sachsen und König Konstantin von Griechenland werden auf dem Feldherrnhügel stehen und die Schlacht beobachten. Vierunddreißig ausländische Attachés sind zugegen … Seine Majestät will die Schlagkraft der deutschen Armee demonstrieren. Es scheint so, als ob es stinkt, meine Herren.«
    »Aber, aber …«, sagte Hauptmann Stroy. »Wer in der Welt könnte unseren Soldaten widerstehen? Das weiß doch jeder.«
    »Frankreich erhöht sein stehendes Heer von 545.000 Mann auf 690.000! Rußland hat seine Friedensstärke von 1.800.000 auf – staunen Sie, meine Herren – 2.300.000 Mann erhöht. Ich habe es in der Vossischen Zeitung gelesen.«
    »Es sind bloße Zahlen, Herr Baron.« Hauptmann Stroy sah dem weggehenden Schütze nach. »Wir haben jetzt 25 Armeekorps mit zusammen 785.000 Mann. Soviel hat das Deutsche Reich noch nie unter den Waffen gehabt. Warten Sie den Ausgang des Manövers ab, Herr Baron … man wird sich im Ausland hüten, irgendwelche Träume zu träumen, wenn man dieses Manöver gesehen und richtig verstanden hat. Verlassen wir uns auf den Weitblick Seiner Majestät.«
    Vor den Quartieren sammelten sich die feldmarschmäßig ausgerüsteten Soldaten. Die Zugführer kontrollierten noch einmal die Uniformen und Waffen, bevor sie zum Antrittsplatz marschieren ließen. Die Damen v. Perritz stiegen wieder in den Jagdwagen. Man wollte hinaus ins Manövergelände fahren. General v. Linsingen, der Kommandeur des zweiten Armeekorps, hatte Baron v. Perritz eingeladen, die Schlacht von seinem Befehlsstand aus zu beobachten.
    Fähnrich Heinrich Emanuel Schütze saß, seine silberne Uhr in der Hand, an der Tür seines Quartierzimmers. Noch zehn Minuten … noch sieben Minuten … noch fünf … Durch das geöffnete Fenster hörte er die Kompanie antreten, sich ausrichten, dreimal stillstehen üben.
    Schütze erhob sich. An der Tür dachte er noch rechtzeitig daran, daß seine Uhr zwei Minuten Differenz zur Uhr des Leutnants aufwies. Er wartete sie ab und trat Punkt 8 Uhr 45 aus dem Haus, ging schnellen Schrittes zum Marktplatz und ließ sich die Kompanie melden.
    Die Familie v. Perritz war weggefahren. Hauptmann Stroy ritt aus dem Dorf … er trug bereits die Streifen des Schiedsrichters. Von Leutnant Petermann war nichts zu sehen. Fähnrich Schütze war allein mit seiner Kompanie.
    »Herhören!« sagte er laut. »Wir haben eine große Aufgabe vor uns. Denkt daran, was wir gelernt haben: Im Verein mit der Artillerie kämpft die Infanterie durch ihr Feuer den Gegner nieder. Sie allein bricht seinen letzten Widerstand. Sie trägt die Hauptlast des Kampfes und bringt die größten Opfer. Dafür winkt ihr aber auch der höchste Ruhm.«
    Die 150 Grenadiere blinzelten mit den Augen Zustimmung. Fähnrich Schütze kannte wie kein anderer das Exerzierreglement auswendig. Er war ein schneidiger Hund.
    Zehn Minuten später marschierte die 2. Kompanie singend aus Trottowitz hinaus.
    Die Sonne spiegelte sich in ihren gelben Achselklappen, die roten Bänder um den Helmen sahen aus wie 150 durchgeblutete Verbände. In den Türen standen die Mädchen und winkten.
    »Luise, Luise, wisch ab dein Gesicht,
eine jede Kugel, die trifft ja nicht …«
    sangen die Grenadiere. Unter ihren Stiefeln quoll der erste Staub auf. Die Morgenfeuchtigkeit war aufgesogen … es würde ein heißer Tag werden.
    Fähnrich Schütze marschierte an der Spitze. Als Kompanieführer steht mir eigentlich ein Pferd zu, dachte er. Aber was macht's? Ob zu Pferde oder zu Fuß … es ging in die Schlacht. Es ging dem Sieg entgegen.
    »Noch ein Lied!« kommandierte Heinrich Emanuel.
    Zehn Kilometer weiter stand Kaiser Wilhelm II. auf einem Hügel und überblickte mit einem Scherenfernrohr das Manöverfeld. König Konstantin v. Griechenland unterhielt sich leise mit Kriegsminister v. Falkenhayn. Der Chef des Generalstabs, Generaloberst Helmuth v. Moltke, erklärte dem König von Sachsen, Friedrich August III., die strategische Lage
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