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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst
Autoren: Heinz G. Konsalik
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grüßte stramm. Petermann straffte die Zügel und ließ das Pferd vor Heinrich Emanuel tänzeln.
    »Wissen Sie schon das Neueste, Schütze?« fragte er.
    »Nein, Herr Leutnant.«
    »Vom Kommandeur ist der Befehl gekommen, daß Sie mit unserer 2. Kompanie einen Angriff auf die Füsiliere der blauen Gruppe führen sollen. Oberst v. Fehrenberg und Hauptmann Stroy werden selbst als Schiedsrichter dabeisein. Ich gratuliere, Schütze. Ein Angriff unter den Augen Seiner Majes tät –«
    »Gehorsamsten Dank, Herr Leutnant.« Petermann winkte noch einmal und ritt dann weiter. Er ließ Heinrich Emanuel Schütze in einer unbeschreiblichen Stimmung zurück.
    Während in den Quartieren bereits gesungen wurde, der Kaffee ausgeteilt war und die ersten Viehherden durch das Dorf auf die Weiden getrieben wurden, saß Schütze in seinem Zimmer und studierte noch einmal im ›Exerzierreglement für die Infanterie‹ das Kapitel ›Angriff mit blanker Waffe‹ und ›Erstürmung einer feindlichen Stellung‹. Er las so lange, bis der Hornruf ›Sammeln‹ ertönte. Mit knurrendem Magen, ohne Kaffee, bleich, rannte Schütze auf den Dorfplatz, wo die 2. Kompanie sich aufstellte. Leutnant Petermann stand mit dem Spieß in der Haustür der Schreibstube. Ein Vizefeldwebel ließ die Kompanie antreten und sich ausrichten. Der Nebel über den Feldern und Wäldern war von der Sonne aufgesaugt worden … strahlend fiel das Blau des Himmels über die Landschaft. Die Dorfjugend umstand den Marktplatz, Mägde und Frauen sahen aus den Ställen oder den Stubenfenstern, die Bauern, längst gedient, gaben laute Ratschläge, wie man sich beim Manöver drücken könnte, wenn man ›erschossen‹ spielte.
    Um 8 Uhr ritt Hauptmann Stroy in Trottowitz ein. Leutnant Petermann meldete die angetretene Kompanie. Einige Mädchen klatschten in die Hände, weil das »Augen gerade aus!« klappte, als zöge man an der Strippe eines Hampelmannes.
    »Unsere Kompanie hat die Ehre«, sagte Hauptmann Stroy mit heller Stimme, »heute Seiner Majestät, dem Kaiser, gegenüberzuliegen. Wir werden einen Sturmangriff auf die Gruppe Blau, die Seine Majestät befehligt, unternehmen. Majestät wird mit seinen Truppen dann einen Gegenstoß unternehmen. Wir kämpfen also unter den Augen des Kaisers, Leute! Wir haben die Ehre, heute zu zeigen –«
    Heinrich Emanuel Schütze hörte nicht mehr, was Hauptmann Stroy weiter erzählte. Von Süden her, von Gut Perritzau, kam ein leichter Jagdwagen die Straße nach Trottowitz herauf. Zwei Damen saßen in ihm … ihre großen weißen, mit Blumen garnierten Hüte und ihre weißen Spitzenkleider leuchteten weithin. Der Mann auf dem Kutschbock, in einem grünen Jagdanzug, mit langem, schwarzem Bart, ließ die Peitschenschnur über die beiden braunen, glänzenden Pferdekörper schnellen, ohne sie zu berühren.
    Die Familie v. Perritz … Amelia mit Vater und Mutter. Sie kamen, um ein wenig Manöverluft zu atmen. Sie fuhren ins Dorf, gerade, als Hauptmann Stroy mit heller Stimme rief:
    »Herr Fähnrich Schütze …!«
    Heinrich Emanuel trat vor. Er hörte, wie der Wagen seitlich der angetretenen Kompanie hielt, er vernahm das Schnauben der Pferde, er spürte den Blick Amelias im Nacken, er fühlte sich von den Augen des Freiherrn v. Perritz durchlöchert.
    »Sie übernehmen ab sofort auf Wunsch des Kommandeurs die Kompanie!« hörte er Hauptmann Stroy sagen. »Im Manövergebiet werden Sie Ihre Befehle bekommen! Bitte, übernehmen Sie die Kompanie!«
    Heinrich Emanuel grüßte. Er sah, wie Hauptmann Stroy vom Pferd sprang, die Zügel seinem Burschen zuwarf und auf die Damen Perritz zuging. Er küßte ihnen die Hand, er hielt die Hand von Amelia länger fest, als es üblich war …
    »Kompanie herhören!« brüllte Heinrich Emanuel. Zum erstenmal in seinem Leben brüllte er. Schau hierher, Amelia, dachte er dabei. Ich führe die 2. Kompanie. Und ich werde im Manöver siegen … ich werde die Blauen erobern und den Gegenstoß abfangen, ich werde unter den Augen Seiner Majestät beweisen, wer ich bin. Und ich werde nach dem Manöver zu deinem Vater kommen und –
    »In einer halben Stunde steht die Kompanie feldmarschmäßig wieder angetreten hier!« brüllte er. »In die Quartiere – weggetreten!«
    Während die 150 Grenadiere auseinanderspritzten, um zu packen und die Waffen zu fassen, stand er allein auf dem sich leerenden Marktplatz, dort, wo er hingestellt worden war, um zu kommandieren. Er stand in der Sonne, bleich, frierend, die linke Hand
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