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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gestaffelt! Und konzentriertes Feuer auf den Gegner. Durchsagen!«
    Durch die wartende 2. Kompanie lief ein Raunen. Am Ende der Schützenlinie hob ein Vizefeldwebel den Arm. Durch, sollte es heißen. Befehl verstanden.
    Fähnrich Schütze wartete noch ein paar Sekunden. Die Gardegrenadiere aus Berlin stürmten heran, ihre Offiziere schwangen siegessicher die Säbel, Hornist und Trommler jubelten … In diesem Augenblick hob Heinrich Emanuel den Arm. Aus dem Waldrand sprangen, auseinanderspritzend und Feuerinseln auf dem Feld bildend, die schlesischen Grenadiere und empfingen die verblüfften Berliner mit einem rasenden Feuer.
    Die Offiziere vor den Linien erstarrten. Hornist und Trommler verstummten. Die Angriffswellen blieben stehen und sahen zu den ›roten‹ Gegnern, die entgegen aller Tradition in kleinen Gruppen, wie flüchtende Hasen, hin und hersprangen, sich hinwarfen, schossen, vorwärts rannten, im Zickzack auf sie zukamen und wieder, liegend, kaum sichtbar, das Feuer eröffneten.
    Generalleutnant v. Surrenkampf, der einen Kilometer hinter den Gardegrenadieren aus Berlin die Schlacht beobachtete, umklammerte sein Scherenfernrohr und winkte eine Ordonnanz heran.
    »Welcher Idiot liegt da drüben?« brüllte er. »Haben wir Manöver oder spielen wir Blindekuh? Reiten Sie sofort rüber und machen Sie den Weg frei für die Angriffswellen!«
    Oberst v. Fehrenberg und Hauptmann Stroy, die als Schiedsrichter durchs Gelände ritten, kamen im gestreckten Galopp über das Feld gerast, als Fähnrich Schütze seine Kompanie mit aufgepflanzten Bajonetten zum Gegenstoß ansetzte und in die Linien der Grenadiere hineinstieß.
    Die Verwirrung war ungeheuerlich. Von allen Seiten liefen die Offiziere zusammen und brüllten auf Schütze ein, der schweißtriefend, aber im Bewußtsein seines Rechts inmitten schreiender und gestikulierender Uniformen stand.
    »Sie Pflaume!« schrie Oberst v. Fehrenberg und drängte sich mit seinem keuchenden Pferd durch die Menge. »Wer hat Ihnen befohlen, hier solche Idiotie zu machen? Sie melden sich nach dem Manöver bei mir! Vor den Augen des Kaisers eine solche Blamage! Was haben Sie sich dabei gedacht?«
    »Ich hatte den Befehl, zu siegen, Herr Oberst!« sagte Schütze laut.
    »Sie?! Sie sollten siegen?! Ihnen steht Seine Majestät gegenüber! Wenn Majestät einen Angriff seiner Truppen befiehlt, hat kein Idiot gegen ihn zu siegen! Wissen Sie das nicht?«
    »Es wurde angenommen, daß hier ein Ernstfall …«
    »Halten Sie den Mund! Die Kompanie übernimmt Leutnant Petermann! Sie sind tot!« Oberst v. Fehrenberg wandte sich an die Offiziere der Berliner Gardegrenadiere. »Wenn Majestät noch nichts gemerkt hat, lassen Sie bitte weiter angreifen. Wenn Sie den Wald erreicht haben, werde ich Herrn Generalmajor v. Puttwitz Ihren Sieg melden.«
    Er rückte seine Schiedsrichterbinde zurecht, sah noch einmal vernichtend auf den strammstehenden Fähnrich Schütze und ritt dann schnell aus der Kampflinie.
    Das Manöver ging weiter. Die 2. Kompanie wurde an den Waldrand zurückgezogen, die Berliner Grenadiere eroberten die Stellung, auf allen Seiten tönte das siegreiche Hurra der blauen Truppen.
    Im Rücken des Siegers saß Fähnrich Schütze allein auf einem Baumstumpf. Er hatte den Helm abgenommen, den Uniformkragen aufgeknöpft und wischte sich mit einem großen Taschentuch den Schweiß vom Kopf und aus dem Nacken.
    Er verstand nicht mehr, was um ihn herum geschah. Hauptmann Stroy, der einmal nahe an ihm vorbeiritt, übersah ihn, als sei er ein Haufen Pferdemist. Selbst Leutnant Petermann, der nach dem Überrollen seiner Kompanie Zeit genug hatte, als ›Toter‹ Freunde in den Nachbareinheiten zu besuchen, machte einen Bogen um die einsame Gestalt auf dem Baumstumpf.
    Was habe ich getan, grübelte Heinrich Emanuel Schütze. Ich habe gesiegt … das ist die ganze Schuld. Ich habe meine Kompanie nicht mehr in Schützenlinie ins Feuer geschickt, sondern in Gruppen. Das spart Verluste, jeder mußte es doch einsehen. So wie die Gardegrenadiere aus Berlin angriffen, hatten schon die Soldaten des Großen Kurfürsten gestürmt, die Armeen Friedrich des Großen, die Truppen von 1866 und 1870/71 … in Linie, eng aufgeschlossen, vorweg Hornist und Trommler, dann Offiziere mit den Fahnenträgern. Welche Ziele gaben sie ab. Man brauchte ja gar nicht mehr zu zielen … man konnte hinschießen, wohin man wollte … in dem Wall der anstürmenden Leiber fand man immer ein Ziel. So durfte man stürmen, als man
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