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Visionen Der Nacht: Der Geheime Bund

Visionen Der Nacht: Der Geheime Bund

Titel: Visionen Der Nacht: Der Geheime Bund
Autoren: Lisa J. Smith
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verbrannte Erde, die es nach einem Sommerregen dürstet.
    Noch nie hatte er sich so gefühlt. Sein Gewissen, das ganz klein weitab in einer Ecke seines Bewusstseins kauerte und ihm hin und wieder eine Ermahnung einflüsterte, sagte ihm, dass ein solches Gefühl gefährlich war. Dass es falsch war.
    Unsinn, dachte Gabriel. Er zwang seine Beine, über den unebenen Weg zu gehen, spannte die Muskeln, damit sie nicht zitterten. In dieser Gegend hatte er keine Angst, denn es war seine gewohnte Umgebung.
Aber er wusste, dass man hier keine Schwäche zeigen durfte. Die Schwachen wurden an einem Ort wie diesem aussortiert.
    Und er suchte nach jemandem, der schwach war.
    Der flüsternde Teil in seinem Kopf hatte Gewissensbisse.
    Unsinn, dachte Gabriel wieder.
    Das Spirituosengeschäft lag nun genau vor ihm. Daneben befand sich eine lange Backsteinwand, die mit zerfetzten Postern und Zetteln beklebt war. Männer lehnten sich gegen die Wand oder saßen auf Kisten davor.
    Männer und eine Frau. Keine Schönheit. Sie bestand aus Haut und Knochen, hatte hohle Augen und Strubbelhaar. Ein tätowiertes Einhorn zog sich über ihre Wade.
    Wenn das keine Ironie war. Ein Einhorn, das Symbol der Unschuld, der Jungfräulichkeit.
    Besser diese dürre Vogelscheuche als die unschuldige Hexe auf dem öden Grundstück, dachte er, und legte sein strahlendes, beunruhigendes Lächeln auf.
    Dieser Gedanke zerstreute seine letzten Bedenken. Es musste sein. Lieber dieser menschliche Müll als Kaitlyn.
    Das Brennen in ihm gewann die Oberhand. Er war ausgetrocknet, ein leeres Schwarzes Loch, ein hungriger Wolf.

    Die Frau sah ihn an. Einen Augenblick wirkte sie überrascht, dann lächelte sie ihn einladend an.
    Findest du mich hübsch? Gott, das macht es einfacher, dachte Gabriel und lächelte zurück.
    Er legte ihr die Hand auf die Schulter.
     
    Das Wasser zischte und spuckte zwischen den Felsen. Die Farbe des Himmels war ungewiss, irgendwo zwischen einem metallischen Lila und einem grauen Lavendelton, dachte Kaitlyn. Sie stand auf einer schmalen felsigen Halbinsel. Zur einen Seite lag der Ozean, zur anderen erstreckte sich die Halbinsel wie ein knochiger Finger ins Meer.
    Ein seltsamer Ort. Ein seltsamer und einsamer Ort …
    »Oh nein. Schon wieder hier?«, sagte Lewis hinter ihr.
    Kait drehte sich nach ihm um. Da waren auch Rob und Anna. Sie lächelte. Als Kaitlyn ihnen zum ersten Mal in ihrem Traum begegnet war, hatte sie das verwirrt, ja fast verärgert. Jetzt machte es ihr nichts mehr aus. Sie war froh, Gesellschaft zu haben.
    »Zumindest ist es diesmal nicht so kalt«, stellte Anna fest. Sie passte an diesen unbändigen Ort, an dem die Natur ohne jeden menschlichen Eingriff zu regieren schien. Der Wind blies ihr das lange schwarze Haar aus dem Gesicht.

    »Stimmt, und wir können froh sein, dass wir hier sind.« Rob konnte seine Aufregung kaum unterdrücken. Er suchte den Horizont ab. »Denkt dran, hier wollen wir hin, falls wir den Ort finden können.«
    »Ja«, sagte Kait. »Da wollen wir hin.« Sie deutete über das Wasser zur fernen Küstenlinie. Dort erhoben sich Klippen, die der dichte Baumbewuchs schwarz einfärbte. Zwischen den Bäumen, umgeben von einem gespenstischen Licht, stand ein einsames weißes Haus.
    Es war das weiße Haus, das Kait bereits am Institut in einer Vision gesehen hatte. Und auf dem Bild, das ihr der luchsäugige Mann mit der karamellfarbenen Haut gezeigt hatte. Von dem Mann wusste sie nur, dass er ein Feind von Mr. Zetes war, und das Haus hatte irgendwie mit dem Mann zu tun.
    »Es ist unsere einzige Chance«, erklärte sie laut. »Wir wissen nicht, wer die Leute da sind, aber wahrscheinlich sind das die einzigen Menschen, die uns im Kampf gegen Mr. Z beistehen können. Wir haben keine Wahl, wir müssen sie finden. «
    »Und vielleicht können sie uns auch bei dieser« – Lewis wechselte mitten im Satz in die telepathische Kommunikation – Sache helfen. Vielleicht wissen sie, wie man die Verbindung kappt.
    »Du weißt doch, was die Forschung dazu sagt«, erwiderte Anna traurig. »Einer von uns muss sterben.«

    »Vielleicht gibt es ja noch eine andere Möglichkeit. «
    Kaitlyn sagte nichts, doch sie wusste, dass sie alle dasselbe dachten. Das Netz hatte sie miteinander verbunden, sie einander nahegebracht, und zum Teil war das auch wunderbar. Trotzdem sagte ihnen eine innere Stimme, dass die Verbindung gekappt werden musste. Sie konnten nicht den Rest ihres Lebens dermaßen aneinandergekettet sein. Das ging
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