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Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
Autoren: Martin Calsow
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Einst
Mittenwald, Tirol, 05. 11. 1499
    Mit einem weiten Schnitt öffnete der Mann den Hals des Pferdes. Das Blut sickerte in den frischgefallenen Schnee. Dampf stieg von der dunkelroten Lache auf. Sofort legte er seine Hände hinein. Sie durften auf keinen Fall Frostbeulen bekommen. Die Hände waren sein Werkzeug. Vier Männer aus Mailand sollten ihn über die Alpen begleiten. Zwei hatten sich bereits südlich von Trient aus dem Staub gemacht. Der Winter hatte Einkehr gehalten. Reisende, die den Pass lebend hinter sich gelassen hatten, berichteten von Lawinen und Überfällen. Und so waren sie zu dritt hinauf zum Brenner geritten. Das Fuhrwerk war von vier Pferden gezogen worden. Kräftige Haflinger, die hier aus dem südlichen Tirol stammten. Bis zur Grenze der Republik hatte er sich in einer Kiste mit päpstlichem Siegel versteckt. Erst Meilen dahinter war Aken herausgekrochen und auf ein Pferd gewechselt. Bozen hatten sie passiert. Die Häscher, die der Hohe Rat auf sie gehetzt hatte, schienen sie weiter westlich im Herzogtum Mailand zu vermuten. Natürlich war ihnen klar, dass er in seine Heimat zurückwollte. Aber niemals dürfte er mit seinem Werk dort ankommen. Aken war vogelfrei, solange er Brabant im Norden nicht erreicht hatte. Bis zu 40 Tage konnte die Reise dauern.
    Vor einer Woche hatte er noch die letzten warmen Tage in der Lagunenstadt genossen. Auch wenn die Feuchtigkeit am Abend in seine Knochen fuhr, sog er das Licht des Tages auf. Nie zuvor hatte er solch eine Leichtigkeit, Wärme und Schönheit erlebt wie in Venedig. Seine Zeit mit Meister da Vinci hatte dem wortkargen, oft melancholischen Künstler die Tore zu einer neuen, weit besseren Welt geöffnet. Sofort hatte er zugestimmt, als der Künstlerfreund ihn bat, das Werk auf diese Art zu vollenden. Wenn er es vollständig zu seinen Freunden bringen würde, könnte sich alles neu und gut fügen. Aber wehe, die Häscher des Dogen würden ihrer habhaft werden.Seine Nackenhaare stellten sich auf, und ein Stich brach sich Bahn am Ende seines Rückens, wenn er nur daran dachte, was er hatte mitansehen müssen. Der Doge hatte ihn in das Gefängnis bringen lassen, nur um ihm zu zeigen, was sie dort mit Verrätern machten. Wie sie ihnen die Augen ausdrückten, die Finger zermalmten und die Füße zertrümmerten. Er tat ahnungslos, und so ließen sie ihn noch einmal ziehen. Seine Flucht war in letzter Sekunde geglückt. Aber nun schien die Reise zu Ende zu sein. Der Fuhrwerker hatte noch die Zügel mit aller Gewalt angezogen, war rechtzeitig vom Bock gesprungen, aber der Steinschlag prasselte dennoch auf die Pferde. Kein Treffer war tödlich, doch die scharfkantigen Felsbrocken hatten bei dem einen den Leib und bei dem anderen die Flanken aufgerissen. Schreiend und hilflos wiehernd lagen die Pferde auf der verschneiten Passstraße. Noch waren sie allein, aber zum einen brach bald die Nacht herein, und zum anderen wollten die Männer unerkannt bleiben. So kramten sie ihre Habseligkeiten aus dem umgekippten Planwagen, stürzten ihn den Abhang hinab in den Fluss, packten die wenigen Überbleibsel auf ihre Pferde und zogen zu Fuß weiter hinauf zum Pass nach Mittenwald. Dies war die einfachste Möglichkeit, die Alpenkette zu überqueren. Aber auch wenn in der Poebene noch kräftig die Sonne strahlte, konnte dort oben schon längst der Winter regieren.
    Um Mitternacht erreichten sie den Pass im dichten Schneetreiben. Die drei Gasthäuser auf über 1000 Meter Höhe waren voll mit Reisenden, die sowohl von Norden wie auch vom Süden kamen. So stapften sie erschöpft und resigniert von einer Tür zur anderen und wurden immer abgewiesen. Der Wirt eines heruntergekommenen Hauses, direkt am Fluss liegend, hatte schließlich mit ihnen Erbarmen. Reisende, die aus Innsbruck kamen, hatten von Lawinen berichtet, die den Weg gen Norden versperrten. Eine schlechte Nachricht, denn so saßen die drei in der Falle. Was, wenn die Söldner des Dogen auch diesen Pass kontrollieren würden?
    Der alte Wirt wies ihnen im Stall einen Platz bei den Kühen zu, die vor wenigen Wochen noch auf den Almwiesen oberhalb der Klause gegrast hatten und jetzt den Winter über hier unten ihr Dasein fristeten. Es gab zwei kleine Verschläge, getrennt durch dicke,alte Fichtenbohlen, an jeweils drei Seiten. Es stank, war aber dank der Tiere wenigstens warm, fand Aken. Die Mailänder rümpften die Nase, doch alles war besser, als in der Kälte zu verrecken. Aken hatte sich eine Box direkt neben den
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