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Krampus: Roman (German Edition)

Krampus: Roman (German Edition)

Titel: Krampus: Roman (German Edition)
Autoren: Brom
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Sankt Nikolaus …
    Der Geschmack deines Namens auf der Zunge ist mir zuwider. Er ist so sauer, dass ich fast speien muss, wenn ich ihn ausspreche. Und dennoch bringe ich kaum ein anderes Wort heraus. Dein Name ist zu meinem Fluch geworden, meinem lästerlichen Mantra.
    Sankt Nikolaus … Sankt Nikolaus … Sankt Nikolaus.
    Dieser Name ist eine Lüge, genau wie du, genau wie dein verdrehtes Weihnachtsfest. Aber du wohnst ja auch seit jeher in einem Lügengebäude, und jetzt ist dieses Gebäude zu einer Burg geworden, einer Festung. So viele Lügen, dass du die Wahrheit vergessen hast, dass du vergessen hast, wer du bist … dass du deinen echten Namen vergessen hast.
    Ich habe ihn nicht vergessen.
    Ich werde immer da sein, um dich daran zu erinnern, dass er weder Sankt Nikolaus noch Santa Claus lautet, weder Weihnachtsmann noch Sinterklaas, und ein Heiliger bist du schon gar nicht. Sankt Nikolaus ist bloß eine deiner vielen Masken, ein weiterer Stein in deinen Festungsmauern.
    Deinen wahren Namen werde ich nicht aussprechen. Jedenfalls nicht hier. Nicht, solange ich in diesem finsteren Loch vor mich hin faule. Zu hören, wie dein Name von den toten Mauern dieses Kerkers widerhallt, das … könnte mich wahrhaftig in den Wahnsinn treiben. Dein Name wird mir erst über die Lippen kommen, wenn ich wieder zusehen kann, wie die Wölfe Sol und Mani über den Himmel jagen. Der Tag rückt näher: Zwei Wochen mag es noch dauern, bis dein Zauber endlich gebrochen ist, bis deine Ketten von mir abfallen und der Wind der Freiheit mich zu dir führen wird.
    Ich habe nicht mein eigenes Fleisch verzehrt, wie du es mir so launig vorschlugst. Auch der Wahnsinn hat sich meiner nicht bemächtigt, nicht einmal nach einem halben Jahrhundert in dieser Gruft. Ich bin weder verendet, noch bin ich zu Wurmfutter geworden, wie du es vorhergesagt hast. Du solltest mich besser kennen. Du hättest wissen müssen, dass ich das niemals zugelassen hätte. Nicht, solange ich mich noch an deinen Namen erinnern kann, nicht, solange mein Wunsch nach Rache mir Gesellschaft leistet.
    Sankt Nikolaus, mein guter alter Freund, du bist ein Dieb, ein Verräter, ein Schmierfink, ein Mörder, ein Lügner, aber das Schlimmste ist, dass du allem, wofür ich einst stand, Hohn sprichst.
    Du hast dein letztes Hohoho gesungen, denn ich bin auf dem Weg, um mir deinen Kopf zu holen. Für Odin, Loki und all die anderen gefallenen Götter, für deinen Verrat, dafür, dass du mich fünfhundert Jahre in diesem Loch festgekettet hast. Vor allem aber komme ich, um mir mein Eigentum zurückzuholen, die Julzeit. Den Fuß auf deiner Kehle, werde ich deinen Namen aussprechen, deinen wahren Namen, und wenn dir der Tod ins Angesicht starrt, wirst du die Augen nicht mehr vor deinen finsteren Taten verschließen können. Auch nicht vor all jenen, die du verraten hast.
    Ich, Krampus, Herr der Julzeit, Sohn der Hel, aus dem Geschlecht des großen Loki, schwöre hiermit, dass ich dir die Lügenzunge aus dem Mund schneiden werde, ebenso die Diebeshände von den Armen und den feisten Kopf vom Hals.

Teil 1
    Jesse
    Kapitel 1
    Der Weihnachtsmann

    B oone County in West Virginia
    Um 2.00 Uhr am Weihnachtsmorgen
    Jesse Burwell Walker betete, sein gottverdammter Pickup möge noch wenigstens einen Winter durchhalten, bevor er endgültig in der Mitte durchrostete. Den Wagen, einen mattgrauen Ford F150 von 1978, hatte ihm sein Vater hinterlassen, nachdem der Alte den langen Kampf gegen seine Teerlunge verloren hatte. Im Gewehrhalter hing jetzt eine Gitarre, und an der Heckscheibe der Campingkabine prangte ein Aufkleber mit der Aufschrift WAS WÜRDE HANK TUN?
    Schneebedeckter Kies knirschte unter den Reifen, als Jesse von der Route 3 abbog und auf den King’s-Kastle-Stellplatz für Wohnmobile und fahrbare Häuser fuhr. Jesse, vor etwa einem Monat sechsundzwanzig geworden, war eher hochgeschossen und drahtig, hatte dunkles Haar und Koteletten, die dringend gestutzt gehörten. Er trommelte mit seinen langen Fingern – mit denen es sich gut Gitarre spielen ließ – auf der Flasche Wild-Turkey-Whiskey herum, die er sich zwischen die Beine geklemmt hatte, während er an den Wohnwagen und Fertighäusern entlangfuhr. Er kam erst an ein paar verblichenen Hohlplastikweihnachts- und Schneemännern vorbei und dann an Ned Burnetts Styropor-Rentier, das Ned immer für seine Zielübungen benutzte. Es hing kopfüber von seinem Kinderschaukel-Set, als sollte es in Kürze ausgenommen und gegerbt werden.
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