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Roland Hassel - 07 - Wiedergänger

Roland Hassel - 07 - Wiedergänger

Titel: Roland Hassel - 07 - Wiedergänger
Autoren: Olov Svedelid
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Erstes Kapitel
    Zu behaupten, er sei nervös gewesen, wäre stark untertrieben. Etwa so, als würde man die Cheopspyramide als die ägyptische Variante eines Ameisenhügels bezeichnen. Als ich die Tür öffnete, drängte er sich sofort herein, preßte sich an die Wand und stierte in den Korridorspiegel. Es schien einige Sekunden zu dauern, bis er sich erkannte, und das wunderte mich nicht. So entsetzt aufgerissene Augen hatte ich bisher nur in Stummfilmen gesehen.
    »Ist die Tür zu?« erkundigte er sich mit bebenden Lippen.
    »Das ist ja wohl selbstverständlich, daß ich die Tür hinter meinen werten Gästen schließe«, versicherte ich. »So hält es der Gentleman und also auch ich.«
    »Ich meine, verschlossen.«
    »Verschlossen und verriegelt, plombiert und gesiegelt.«
    Er glaubte mir trotzdem nicht, sondern prüfte persönlich nach, bis er überzeugt war, daß ein Roland Hassel niemals lügt. Jedenfalls nicht so oft; nicht häufiger als ein paarmal in der Stunde. Er fuhr sich mit den Fingern durch das dunkle, graumelierte Haar und wischte den Schweiß am Hosenbein ab.
    »Gott«, murmelte er. »Herrgott …«
    »Wir können das Gebet auch im Wohnzimmer fortsetzen«, bemerkte ich. »Die Psalmen klingen dort besser.«
    Ich geleitete ihn in den großen Salon, warf mich in meinen Lieblingsstuhl und legte die Füße auf meinen Lieblingstisch. Es war meine Wohnung, und ich machte mit meinen Füßen, was ich wollte, ohne jemanden um Erlaubnis zu fragen.
    »Setz dich«, forderte ich ihn auf. »So wie du aussiehst, wirst du bald zusammenklappen. Und auf dem Sofa fällst du weicher.«
    Mit einem Seufzer ließ er sich in die Kissen sinken. Er schwitzte so, daß ich ihn schon bitten wollte, den Kopf vom Polster zu nehmen, aber als Gastgeber hat man ja so seine Verpflichtungen.
    Vielleicht würde er wirklich ohnmächtig werden. Krank genug sah er jedenfalls aus.
    »Leider kann ich dir keinen Champagner anbieten, und Austern hatten sie im Laden nicht mehr. Ein Helles oder ein Mineralwasser könnte ich dir servieren.«
    Er hörte mir nicht zu, und da gab es ja auch nicht viel zu hören.
    Ich konnte Karsten Lund und seine schwachen Nerven nicht ernst nehmen. So sah ich ihn nämlich nicht zum erstenmal. Vielleicht war es noch nie so schlimm gewesen, aber er war ein Mann, der ständig zwischen den Wolken der Euphorie und dem Sumpf der Verzweiflung schwebte.
    »Gott«, flüsterte er noch einmal vor sich hin.
    »Der hat gerade zu tun, du mußt mit mir vorlieb nehmen. Du hast mich angerufen und wolltest mit mir über etwas furchtbar Wichtiges reden. Ich hatte zwar keine Lust, dir meine kostbare Freizeit zu opfern, aber du hast ja förmlich in den Hörer geschluchzt. Also, laß hören. Ich bin ganz Ohr.«
    Karsten hörte mich immer noch nicht. Er leckte sich nervös die Lippen, sein gehetzter Blick irrte über Wände und Decke.
    Plötzlich sprang er auf, stürzte ins Schlafzimmer und schaute unter die Betten. Dann raste er in Elins Zimmer, aber auch zwischen den Plüschtieren war nichts Verdächtiges zu entdecken.
    »Vergiß nicht den Herd in der Küche«, riet ich ihm. »In diesem Jahr sind die Leute klein. Das haben die Pariser Modehäuser so bestimmt.«
    Er untersuchte das Badezimmer und ging sogar wirklich in die Küche, wo er sich ans Fenster stellte. Vorsichtig zog er die Gardine zurück und spähte in den Hof. Ich ließ ihn gewähren, aber nicht mehr lange. Bald würde Virena mit Elin heimkommen, und bis dahin wollte ich die Wohnung wieder Karsten-Lund-frei haben. Elin sollte wieder einmal die faszinierende Geschichte vom wandernden Hut zu hören bekommen, die sie so sehr mochte, und in der Wohnung herumlungernde, in kaltem Schweiß gebadete Journalisten konnten da nur stören.
    Demonstrativ schaute ich auf die Uhr, aber es beeindruckte ihn so wenig, als hätte ich mich an der Nase gekratzt.
    »Siehst du etwa Ratten?« erkundigte ich mich.
    »Was?« murmelte er und stellte sich auf die Zehenspitzen, um eventuelle Schlupfwinkel auszuspähen.
    »Angeblich ist das Haus total saniert worden. Wenn du etwas entdeckst, können wir vor Gericht gehen. Ich würde die Beute mit dir teilen.«
    Er schlich zur anderen Seite des Fensters hinüber und studierte den Hof aus der neuen Perspektive. Obwohl er erst wenige Minuten bei mir war, hatte ich ihn schon satt. Ich ärgerte mich wie damals, als ich einen Zeugen Jehovas hereingelassen hatte.
    Niemand wird mich für besonders fein halten, aber wie wirft man Leute hinaus, ohne die Hände zu
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