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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln
Autoren: Marta Randall
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Wo­gen aus Won­ne spül­ten mir aus dem Ka­lei­do­skop ent­ge­gen und lock­ten, Ran­ken aus Eu­pho­rie wink­ten, ver­stoh­le­ne Re­ben aus Ver­gnü­gen. Und da­hin­ter – nichts. Sich die­ser Schwem­me hin­zu­ge­ben hie­ße, für al­le Zei­ten auf den Wel­len der Ek­sta­se zu rei­ten, in Es­senz­lo­sig­keit zu tan­zen, al­les hin­ter mir zu las­sen, was ich war, bin und sein wür­de. Das Ver­lan­gen, mit dem Ent­zücken zu ver­schmel­zen, war ein ver­lo­cken­des Zer­ren in mir. Aber ich such­te Be­deu­tung, nicht Tod, nicht Ek­sta­se. Ich wür­de das Schick­sal von To­bi­as oder Be­ni­to – oder auch mein ei­ge­nes – nicht als Vor­wand da­zu be­nut­zen, die­sem Pro­blem auf mög­lichst ele­gan­te Wei­se aus­zu­wei­chen. Ge­dul­dig er­trug ich das Rei­ßen und war­te­te dar­auf, daß sich mir ei­ne Be­deu­tung of­fen­bar­te.
    Bald dar­auf wur­de das Ka­lei­do­skop von un­be­stimm­ten Wän­den lang­sam um­schlos­sen. Mei­ne Wahr­neh­mun­gen klär­ten sich, und ich er­kann­te Un­ter­tei­lun­gen in dem Wir­beln, die Kon­stan­ten in­mit­ten der Ver­än­der­li­chen. Das Mus­ter wur­de deut­li­cher. Das ver­rück­te Tan­zen ver­lang­sam­te und sta­bi­li­sier­te sich, wur­de fast zu ei­ner stil­len Fi­xie­rung in­ner­halb der Zo­ne des Wan­dels. Be­ru­higt und mit neu­er Zu­ver­sicht wag­te ich mich hin­ein.
    Es war mir so­fort ver­traut, kaum be­fand ich mich im In­nern. Hier die Wöl­bung mei­ner Lun­ge, dort das Po­chen des Her­zens, all die fes­ten in­ne­ren Or­ga­ne. Dick und dehn­bar, die­se Bän­der und Strän­ge, die die ein­zel­nen Be­stand­tei­le zu ei­nem Gan­zen zu­sam­men­schnü­ren. Ich tas­te­te mich zu den hel­len und glän­zen­den Im­pul­sen mei­ner Sin­ne: das Se­hen, und die Far­ben ver­scho­ben sich, schäum­ten in­ein­an­der, lo­der­ten auf und glüh­ten. Das Hö­ren, und ich wur­de ein­gehüllt von hal­len­den, kom­pli­zier­ten Ak­kor­den; Glo­cken­spie­le läu­te­ten, un­ter­malt von ho­hen und zar­ten Flö­ten­klän­gen. Das Rie­chen, und ei­ne Viel­zahl von fei­nen Düf­ten weh­te mir ent­ge­gen; sie si­cker­ten durch mein gan­zes Sein, ver­misch­ten sich mit den Glo­cken und Far­ben zu ei­nem tan­zen­den Kon­glo­me­rat. Und das Schme­cken und Füh­len. Ich öff­ne­te mich der Flut, um­arm­te und ge­noß sie, tanz­te mit dem Tan­zen mei­nes Kör­pers. Und stieß wei­ter vor.
    Ei­ne ro­tie­ren­de Ga­la­xis, hier. Ich schweb­te hin­ein, und Er­in­ne­run­gen ström­ten mir ent­ge­gen: das ver­las­se­ne Haus mei­ner Kind­heit, die Küh­le von Ei­dech­sen auf mei­ner Hand­flä­che, die Stim­me mei­ner Mut­ter, er­lo­sche­ne Vul­ka­ne, die sich un­ter ei­nem strah­lend hel­len Him­mel er­he­ben, Beu­tel mit Sü­ßig­kei­ten, den Lieb­ha­bern mei­ner Mut­ter ge­stoh­len, die flir­ren­de Hit­ze über der Wüs­te von Ne­va­da, durch­drun­gen von dem Sum­men ei­ner dar­über hin­weg­glei­ten­den Luft­fäh­re, die Eis­ka­ver­nen un­ter dem Pol. Der Ge­schmack von Fei­gen­dis­teln, Mür­be­ge­bäck, mit Zimt über­ba­cke­nen Äp­feln, der Duft lan­ger Som­mer­ta­ge am Meer, das Be­rüh­ren von Pi­ni­en und Es­pen.
    Ster­ne aus Emp­fin­dun­gen und No­vae aus Won­ne, aber auch die aus­ge­brann­ten Son­nen von Furcht, dunkle Hül­len ver­leb­ter Ju­gend, schwa­che Ex­plo­sio­nen aus Schmerz. Be­hand­lun­gen. Kran­ken­häu­ser. Miß­trau­en. Haß. Ab­scheu. Schre­cken. Auf­klaf­fen­de Spal­ten in mei­nem Le­ben, aus­ge­wa­schen von ei­nem sal­zi­gen Mi­as­ma aus Trä­nen – und ich be­griff, daß ein fünf­zig Jah­re dau­ern­des Selbst­mit­leid ei­ne ver­bre­che­ri­sche Ver­schwen­dung ist. Ich schweb­te ins Dun­kel hin­ein.
    Stell­te fest, daß es fest mit dem Licht ver­bun­den war, ent­deck­te die in Ein­klang ste­hen­de Aus­ge­wo­gen­heit, die ja­nus­ge­sich­ti­gen Ge­gen­sät­ze, die die Be­deu­tung ei­nes je­den Ex­trems be­grün­den, ei­ne ge­gen­sei­ti­ge Ab­hän­gig­keit, die ge­nau­so emp­find­lich ist wie das un­si­che­re öko­lo­gi­sche Gleich­ge­wicht in ei­ner Wüs­te­no­a­se, so un­er­läß­lich wie Son­ne und Was­ser. Ich horch­te,
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