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Das mittlere Zimmer

Das mittlere Zimmer

Titel: Das mittlere Zimmer
Autoren: Inge Lempke
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Rike lief aus dem Haus, als die Möbelpacker bereits aus dem LKW sprangen. Auch Achim tauchte im Vorgarten auf, in alter Jeans und verwaschenem Sweat-Shirt und stellte sich neben Rike.
    Sie schaute auf die Uhr: fast zehn. Sollte sie den Männern jetzt schon belegte Brötchen anbi eten? Als hätte Achim ihre Gedanken gelesen, raunte er ihr zu: „Wir lassen die Leute erst mal ein Stündchen arbeiten, bevor wir Frühstück machen.“
    Rike nickte und zeigte dem schmächtigen, schnauzbärtigen Möbelpacker, dem breiten Kräft igen mit dem dicken Zopf und dem großen Bierbäuchigen mit Halbglatze, welche Kartons und Möbel in welche Zimmer gehörten.
    Achim und Rike halfen natürlich mit beim Ausladen, und Achim, dem Unsportlichen, stand schon bald der Schweiß auf der Stirn, obwohl draußen vor dem Haus ein kühler Wind wehte. Immerhin lugte die Sonne ab und zu zwischen dicken, weißen Wolken hervor, und man konnte diesen Freitag, den 19. März, getrost als einen verhältnismäßig warmen und trockenen Tag bezeichnen.
    Rike nahm einen tiefen Atemzug sauberer Landluft, krempelte gewissermaßen inne rlich die Ärmel hoch und schleppte Zimmer- und Terrassenpflanzen ins Haus. Und so bekam sie mit, wie beim Transport eines Sofas ins Wohnzimmer, das schon reichlich voll gestellt war, der Bierbäuchige versehentlich einen Blumentopf umwarf und mit seinen geschätzten 130 kg über Rikes geliebten Oleanderbusch hinwegtrampelte.
    „Tut mir leid “, nuschelte der Mann mit hochrotem Gesicht. „Aber das bekommen Sie ersetzt, wir sind versichert.“
    „Das will ich hoffen“ , gab Rike zurück, verzog sich in die Küche, setzte Kaffee auf und legte Wurst- und Käsescheiben auf halbierte, mit Butter bestrichene Brötchen.
    Kurz bevor der Kaffee fertig war, hörte sie aus dem Wohnzimmer ein lautes, schrec kliches Poltern und Klirren. Um Himmelswillen, hatte jemand ein Fenster zertrümmert?! Da Achim sofort zur Stelle zu sein schien, blieb sie in der Küche. Sie hörte ihn schimpfen. Anscheinend war ein Karton mit Glasvasen heruntergefallen. Nein, sie würde sich nicht aufregen. Die Leute waren versichert.
    Achim kam in die Küche, nahm die Brille ab und rieb sich die Nase. „Die Männer brauchen dringend eine Pause. Ich fange schon an zu glauben, dass sie die Sachen mit Absicht runterwerfen. Bist du fertig?“
    Fünf Minuten später saßen alle um den Küchentisch herum. Man aß und trank, plauderte über das Wetter, über die Vor- und Nachteile alter Häuser und das Landleben an sich, und dann machten sich alle wieder an die Arbeit. Möbel wurden aufgestellt, Kisten und Kartons geschleppt, eine Wand leicht beschädigt, ein Schrank falsch zusammengebaut und Achims linke Hand eingequetscht.
    Am frühen Abend, als die Möbelpacker gegangen waren, schloss Achim im Wohnzimmer den Fernseher an. Rike bestellte Pizza.
    Um zehn Uhr lagen sie nebeneinander im frisch bezogenen Ehebett. Rike war müde, aber glücklich und bekam plötzlich lustvolle Gefühle. Sie ließ ihre Hand unter Achims Bettdecke gleiten, aber er schob sie zurück.
    „Nee, das geht jetzt wirklich nicht“ , murmelte er und fing zwei Minuten später an zu schnarchen.
    Rike fühlte sich zwar ein wenig unverstanden, aber nachdem sie die Augen geschlossen hatte, war sie ebenfalls in Sekundenschne lle eingeschlafen.
    Am nächsten Morgen wurde sie wach, weil nun unter ihrer Bettdecke eine Hand herumwanderte. Rike drehte sich um, blickte direkt in Achims blaue Augen, rückte näher zu ihm hin und umarmte ihn. So sehr sie Hannah auch liebte, jetzt war sie froh, dass sie bei Oma und Opa übernachtete. Während sie ihre Lippen auf Achims Mund drückte, dachte sie kurz daran, dass sie gleich ihre Mutter anrufen musste, um zu fragen, wie es Hannah ging. Dann dachte sie eine Weile an ganz andere Dinge.
    Nach dem Frühstück machten sie sich gemeinsam auf den Weg in die Stadt, um für das W ochenende einzukaufen. Ihr neues Haus war ungefähr einen Kilometer vom nächsten Nachbarn, 8 km vom nächsten Ort und 15 km von der Stadt entfernt.
    In der Stadt kamen sie an der Vierzi mmer-Wohnung vorbei, in der sie bisher gelebt hatten und die über Achims Optikerladen lag. Nach dem Einkauf im Supermarkt sah Achim noch nicht einmal im Geschäft nach dem Rechten, sondern fuhr sofort wieder zurück in sein neues Zuhause.
    Unterwegs sagte Rike nicht viel, sondern schaute aus dem Fenster und erfreute sich an der aus der Winterruhe erwachenden Landschaft. Dunkle Tannenwäldchen unte rbrachen ab und
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