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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln
Autoren: Marta Randall
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    Weit un­ter mir schmet­ter­te die nicht sicht­ba­re Bran­dung im­mer wie­der ge­gen die eben­falls nicht sicht­ba­ren Fel­sen und flu­te­te mit ei­nem dröh­nen­den und gur­geln­den Gisch­ten über die Stei­ne zu­rück. Der Nacht­wind war kalt. So kalt wie der fros­ti­ge Glanz der Ster­ne oder die ei­si­ge Bläs­se des Mon­des, des­sen Licht nun durch Lücken in den Wol­ken­bän­ken tropf­te und einen trü­ben, dif­fu­sen Schim­mer auf die Wo­gen des Mee­res warf. Ir­gend­wo tief in mei­nem Rücken stach und brann­te plötz­lich et­was und sand­te ei­ne durch den gan­zen Kör­per tas­ten­de Lan­ze aus Pein aus. Mit bei­den Hän­den um­faß­te ich das ge­ma­ser­te Rot­holz des Ge­län­ders und kon­zen­trier­te mich dar­auf, die Ge­fühl­lo­sig­keit mei­ner Fü­ße ge­ra­de­wegs her­auf spü­len zu las­sen. Ich lenk­te den be­täu­ben­den Frost mei­nem Rücken und Her­zen ent­ge­gen, woll­te mei­ne Ge­dan­ken dar­in ein­hül­len. Doch es ge­lang mir nur, die Küh­le bis zu den Kni­en stei­gen zu las­sen, dann flu­te­te sie zu­rück. Ich leg­te den Kopf tief in den Nacken, beug­te den Leib dem Him­mel ent­ge­gen, und der Schmerz war wie ei­ne Blu­me, die in mir er­blüh­te.
    Zwei Eta­gen tiefer la­gen Paul und Jen­ny in­ein­an­der ver­schlun­gen in dem großen, trans­pa­ren­ten Bett und lieb­ten sich. Sie wa­ren ganz lei­se, da sie mich im Zim­mer un­ter ih­nen ver­mu­te­ten und mich nicht stö­ren woll­ten. Sehr rück­sichts­voll von ih­nen. Die Ge­räusche, die Paul wäh­rend des Ge­schlechts­ak­tes von sich gab, wä­ren nicht zu er­tra­gen ge­we­sen. Und ich hat­te sie nicht er­tra­gen, als sie mir auf dem Weg zum Dach­bal­kon kurz zu Oh­ren ge­kom­men wa­ren: Das ge­dämpf­te, ek­sta­ti­sche Keu­chen ver­folg­te mich, als ich die Trep­pe hin­auf floh, das wei­che, plötz­li­che Auf­stöh­nen, wenn Paul den Hö­he­punkt er­reich­te. Noch im­mer der glei­che Laut, nach all den Jah­ren. Wäh­rend mei­ne Ge­dan­ken zu­rück­eil­ten, klam­mer­te ich mich noch fes­ter an das Ge­län­der, bis der Schmerz nachließ und ich wie­der at­men konn­te. Es war ein Feh­ler, sie hier­her ein­zu­la­den, sag­te ich mir bit­ter. Dumm zu glau­ben, es wür­de mir nichts aus­ma­chen. Dumm zu glau­ben, ich sei dar­über hin­weg und es be­rüh­re mich über­haupt nicht mehr. Schwach­sin­nig. Und ich ha­be die ver­dien­te Stra­fe da­für er­hal­ten.
    Ich trank die kal­te Luft, bis das Zit­tern ein En­de fand und sich die Pein so­weit zu­rück­zog, bis sie nur noch ei­ne dump­fe, tief in mir ver­gra­be­ne Mah­nung war. Ich lös­te mei­ne Hän­de vom Ge­län­der und glitt lei­se die Wen­del­trep­pe hin­un­ter, vor­bei an dem mat­ten Schim­mer der Bunt­glas­fens­ter, dann durch den Flur und am Gäs­te­zim­mer vor­bei. In mei­nem Zim­mer an­ge­kom­men, schloß und ver­rie­gel­te ich die Tür hin­ter mir, schal­te­te das Licht ein – und von dem großen, dunklen Fens­ter sprang mir mein Spie­gel­bild ent­ge­gen. Oh ja, schau­en wir sie uns an, Tia in na­tu­ra, das Fleisch, das nicht auf die Dro­gen an­spricht. Tia die Miß­bil­dung, das Mon­s­trum. Ver­welkt, wie könn­te es auch an­ders sein. Fla­cher Bauch, nicht mehr straff, son­dern von Fal­ten durch­furcht. Schlaf­fe Brüs­te. Wa­ren aber nie groß und fest ge­nug, daß man einen Un­ter­schied hät­te fest­stel­len kön­nen. Der Po ge­run­zelt, die Ober­schen­kel seh­nig und ver­schrum­pelt, die Wa­den eben­so. Dür­re Ar­me, die in großen und brei­ten und tüch­ti­gen Hän­den en­de­ten. Das Ge­sicht mit den brau­nen Au­gen ver­wit­tert, die Haut ver­trock­net und wie Treib­holz ge­zeich­net. Das Haar von grau­en Sträh­nen durch­zo­gen und wie aus­ge­dörrt, da es im­mer der Son­ne aus­ge­setzt war. Ei­ne ver­trock­ne­te Frau, ein al­tes Treib­hol­zweib. Nun, wenn ich schon al­tern muß, dann will ich kei­nen Hehl dar­aus ma­chen – kei­ne Hautöle, kei­ne plas­ti­sche Chir­ur­gie, kei­ne Kos­me­ti­ka. Soll ih­nen doch un­be­hag­lich zu­mu­te sein beim An­blick von Tia Ham­ley, die so reiz­los alt wird in ei­ner Welt der ewig Jun­gen.
    Und laß sie nie auf den Ge­dan­ken kom­men, sie wer­de auf so un­er­war­te­te
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