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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln
Autoren: Marta Randall
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be­trach­te­te, be­rühr­te, schmeck­te, ak­zep­tier­te die Ex­tre­me und be­wun­der­te sie. Und schweb­te wei­ter.
    Nach­dem ich die Grenz­li­ni­en mei­nes Le­bens in Au­gen­schein ge­nom­men hat­te, wand­te ich mich den ein­zel­nen Kom­po­nen­ten zu, dreh­te sie hin und her, stieß sie an, schob und drück­te und form­te und ge­stal­te­te, bis sich die tan­zen­den Fak­to­ren al­le im glei­chen Takt und zur glei­chen Mu­sik be­weg­ten – und die Har­mo­nie war ei­ne Kom­po­si­ti­on des Tan­zes und der Tanz ein Er­geb­nis der Har­mo­nie. Ich spür­te die sin­gen­de Span­nung von Mög­lich­kei­ten in mir, die Na­tur der Kon­trol­le, den Zu­sam­men­hang von Ver­än­de­rung. Ich spür­te ei­ne Prä­senz, ei­ne Kraft, de­ren Ruf jen­seits mei­nes Ichs er­klang, und ein neu­es Drän­gen er­goß sich über mich. Ein ein­zel­ner, ein­fa­cher Schritt lag noch vor mir, doch ich zö­ger­te. Ich nahm die ver­trau­ten und be­hag­li­chen Emp­fin­dun­gen mei­nes Kör­pers wahr, die En­ti­tät der küh­len und kla­ren Sphä­re mei­nes Geis­tes. Und plötz­lich war ich von der Ge­wiß­heit er­füllt, von Zu­ver­sicht, und ich über­wand die Bar­rie­ren, ei­ne nach der an­de­ren, fühl­te den let­zen Atem­zug mei­nes Kör­pers, glitt aus der fleisch­li­chen Hül­le her­aus und stieg em­por.
     

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    Ich stei­ge als geis­ti­ge Es­senz auf, ei­ne da­hin­rol­len­de Wel­le, de­ren ein­zel­ne Was­ser­trop­fen ver­schie­den sind und doch ge­mein­sam ei­ne schäu­men­de Ein­heit bil­den. Ver­zau­bert vom Da­hinglei­ten, hin­ge­ris­sen von der Be­we­gung und er­füllt von Neu­gier, gren­zen­lo­ser Neu­gier.
    Ich fan­ge einen vor­bei­schwe­ben­den Fet­zen des Uni­ver­sums ein und for­me dar­aus ein Seh­or­gan – um mich her­um glit­zern die Ga­la­xi­en, gleich­mä­ßig fun­keln­de und glei­ßen­de Dia­man­ten­split­ter, weiß­ge­tönt oder auch blau und rot und gelb. Ge­wal­ti­ge, wir­beln­de Ne­bel­schlei­er, Spiral­ga­la­xi­en mit ih­ren ge­krümm­ten, in ei­nem Über­fluß an Licht er­strah­len­den Ar­men. Ei­ne Hand­voll hier­von, ein biß­chen kne­ten, so, und ich lau­sche den Ge­sän­gen der Ster­ne, den Pre­dig­ten von Son­nen­sys­te­men und dem Ge­plau­der von Ko­me­ten. Ich we­be ein Netz aus Emp­fin­dun­gen und Wahr­neh­mun­gen um mich her­um, brei­te mich zwi­schen den Ster­nen aus, licht­jahr­weit, und zie­he Schlep­pen aus Ek­sta­se hin­ter mir her. Ver­än­de­re mein Se­hen und er­freue mich an neu­en, na­men­lo­sen Far­ben. Ver­än­de­re mei­ne Sin­ne und hei­ße die neu­en Wahr­neh­mun­gen glück­lich will­kom­men. Ich öff­ne mich, bis all dies, die Ge­samt­heit mei­nes neu­en Seins, er­füllt wird von ei­ner tie­fen und um­fas­sen­den Ru­he. Ich las­se mich voll­kom­men von ihr durch­drin­gen, und es lo­dert et­was in mir auf, das in­ten­si­ver ist als Ek­sta­se, groß­ar­ti­ger als Frie­den. Ste­he stau­nend und ehr­furchts­voll vor dem Her­zen des Uni­ver­sums, bis mich ei­ne sanf­te Kraft wie­der fort­schickt und ich er­neut zwi­schen den Son­nen um­her wir­be­le, strah­lend und vol­ler Le­ben. Ich tau­che in mich selbst hin­ein, schrump­fe auf die Grö­ße von Elek­tro­nen zu­sam­men, deh­ne mich aus, bis sich die Aus­läu­fer mei­ner Ego­sphä­re an den Gren­zen des ge­krümm­ten Alls wie­der­be­geg­nen. Durch­strei­fe die Ga­la­xi­en, bis ich an ei­ner un­be­deu­ten­den gel­ben Son­ne vor­bei­schwe­be, über einen klei­nen, blau­grü­nen Pla­ne­ten hin­weg, und ich bli­cke wie­der auf mei­ne Hei­mat hin­ab.
    Nord- und Süd­ame­ri­ka, Eng­land, das üb­ri­ge Eu­ro­pa, Asi­en. Die ibe­ri­sche Halb­in­sel, der Stie­fel von Ita­li­en. Afri­ka, Cey­lon, In­di­en, Ara­bi­en, In­do­ne­si­en, Aus­tra­li­en, Neu­see­land. Pa­zi­fik, At­lan­tik, der In­di­sche Ozean, das Nord­po­lar­meer, das blaue Ju­wel des Mit­tel­meers, der kal­te Glanz der Be­ring-See. Das Ochots­ki­sche Meer, die Hud­son Bay, der St.-La­wrence-Strom, das Ka­li­for­ni­sche Meer, das sich von den Hän­gen des Shas­ta bis hin zur Cor­tez-See und die Ket­te des Ka­li­for­ni­schen Ar­chi­pels er­streckt.
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