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Das Jahr der Kraniche - Roman

Das Jahr der Kraniche - Roman

Titel: Das Jahr der Kraniche - Roman
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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    So fühlt es sich also an, wenn man glücklich ist.
    Laura blinzelte, den Kopf in den Nacken gelegt, in den knallblauen Himmel, der sich über die Uckermark spannte. Ein paar weiße Kumuluswolken segelten über die durchsichtige Bläue. Wie Sahnehäubchen sahen sie aus.
    Sahnehäubchen auf meinem Glück.
    Sie hätte singen wollen, jubeln, die Welt umarmen– hinausschreien, dass sie selig war.
    Ich habe den Mann meines Lebens gefunden, habe ihn geheiratet und will für immer und ewig mit ihm im siebten Himmel leben.
    Unwillkürlich griff Laura nach Jans Hand. So, als wolle sie sich vergewissern, dass dieser Mann neben ihr, in dessen altem Cabrio sie seit Stunden an kristallenen Seen vorbeifuhr– ruckelnd über schmale gepflasterte Landstraßen, die von uralten Eichen gesäumt waren, deren knorrige blattlose Äste sich zu einem filigranen Dach über ihnen verbanden–, auch wirklich real war.
    »Na, Frau Plathe, geht’s dir gut?«
    Jan legte den Arm um sie und zog sie an sich. Sie spürte seine Lippen auf ihrem Haar, sog den Duft seines Rasierwassers ein.
    »So gut wie noch nie in meinem ganzen Leben.«
    Sie drückte einen Kuss auf die Stelle über seinem Herzen, lauschte auf das Pochen in seiner Brust. Ruhig und gleichmäßig, beruhigend. Wie konnte sie sich nur dermaßen sicher fühlen bei jemandem, den sie vor vier Monaten noch nicht einmal gekannt hatte?
    »Du bereust es noch nicht?«
    Sie hob den Kopf, und ihr Blick tauchte in das Blaugrau seiner Augen ein. Zwar fand sie ein Lächeln darin, aber im Vordergrund stand ein ernsthaftes Forschen, vielleicht sogar ein wenig Besorgnis. Das war nicht die schnell dahingeworfene, verspielte Frage eines Liebenden, der die Antwort schon wusste. Nein, das war ernst gemeint.
    »Ich habe doch gesagt, dass ich deine Frau sein will. Erinnerst du dich nicht? Ja, dass ich bei dir sein will, bis der Tod uns scheidet, in guten und schlechten und überhaupt in allen Zeiten.«
    Sie schob sich näher an ihn heran und küsste ihn auf die Lippen.
    »Ich bereue nichts.«
    Im nächsten Augenblick steuerte Jan das Cabrio an den Straßenrand. Er zog sie an sich, seine Zunge öffnete ihre Lippen. Der Kuss war voller Leidenschaft.
    »Laura.«
    Es klang wie eine Beschwörung.
    »Ich werde alles tun, was ich kann, damit du es nie bereust.«
    Sie hätte ewig so in seinen Armen liegen können: festgehalten, geborgen, geliebt.
    War die Katastrophe mit Thomas, den sie mehr als drei Jahre ihren »Lebensmann« genannt hatte, bis zu dem geradezu klischeehaften Moment, als sie ihn in den Armen ihrer besten Freundin ausgerechnet in ihrem Bett gefunden hatte, tatsächlich erst ein Jahr her? Ihr Leben und ihre Zukunft mit dem Internisten, der auf der gleichen Station gearbeitet hatte wie sie und mit dem sie nicht nur Kind, Hund und Haus geplant hatte, sondern auch einen gemeinsamen Lebensabend, hatten damals von einer Minute zur anderen in Trümmern gelegen. Der Schmerz und die Enttäuschung darüber hatten sie in die Knie gezwungen. Sie hatte einen einsam verheulten Tag nach dem anderen in ihrer hastig bezogenen winzigen Wohnung verbracht, Wut und Verzweiflung waren in Wellen über sie hinweggeschwappt, um schließlich in den Entschluss zu münden, so etwas nie mehr erleben zu wollen. Kein Mann sollte ihr jemals wieder so wehtun können. Sie würde sich einfach nie mehr auf einen Mann einlassen, keinem Mann jemals wieder die Chance geben, ihr nahezukommen. Ihr Herz, das so lange gebraucht hatte, um zu heilen, würde niemals wieder von einem Mann gebrochen werden. Es war ihr schlagartig besser gegangen, als sie diesen Entschluss gefasst hatte. Das Leben war durchaus auch interessant und lebenswert ohne einen Kerl an ihrer Seite. Sie hatte sich in ihre Arbeit gestürzt, hatte mehr Nacht- und Sonntagsdienste übernommen als jede andere Krankenschwester auf ihrer Station. Sie hatte angefangen, Sport zu treiben: Joggen, Schwimmen, Radfahren. Und langsam war es ihr wieder gut gegangen. Sie war sich selbst genug, und sie hatte eine spannende Zukunft. Es gab so viel, was sie erleben, was sie sehen wollte, worauf sie neugierig war. Männer aber gehörten nicht mehr dazu.
    Bis an jenem denkwürdigen Freitagnachmittag vor drei Monaten– München war seit Wochen in den Wassermassen eines sich über Bayern einkringelnden Januar-Tiefs versunken– Jan Plathe aus dem Nichts in ihr Leben gesprungen war und sie mit einem entschlossenen Griff davor bewahrt hatte, von einem aus einer grauen Regenwand heranpreschenden
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