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Venus allein zu Haus

Venus allein zu Haus

Titel: Venus allein zu Haus
Autoren: Voosen Jana
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ihr Festnetztelefon. Gott sei Dank!

    »Hallo?«
    »Guten Morgen, Frau Biergarten«, mein erster Tipp für sie wäre, dass sie sich einen neuen Namen zulegt, »hier spricht Helen Ramien.«
    »Hallo, Frau Ramien. Schön, dass Sie anrufen. Finden Sie’s nicht? Ich freue mich schon so auf Ihren Besuch. Ich bin schon ganz aufgeregt, wissen Sie? Endlich tue ich mal etwas nur für mich! Ich bin …«
    »Ja, Frau Biergarten«, bremse ich den Redefluss, »es tut mir schrecklich Leid, ich muss den Termin für heute leider absagen.«
    »Ach soooooo«, kommt es lang gezogen zurück. Sie klingt furchtbar enttäuscht. Jetzt brauche ich schnell eine gute Ausrede. »Ich hatte mich doch so gefreut.«
    »Ich mich doch auch, Frau Biergarten, sehr sogar«, labere ich daher, um Zeit zu schinden, »wissen Sie«, der hellblaue Eimer fällt mir genau im richtigen Augenblick ein, »ich habe ganz plötzlich Magenprobleme bekommen.«
    »Oh.«
    »Und vielleicht habe ich mir bloß ein wenig den Magen verdorben, aber es könnte ja auch dieses Magen-Darm-Virus sein, das im Moment grassiert. Und ich möchte Sie auf keinen Fall anstecken.«
    »Oje, nein, dann bleiben Sie bloß weg. Wissen Sie, meine Cousine liegt seit über einer Woche flach. Sie kann gar nichts bei sich behalten, wissen Sie, und selbst wenn nur noch Galle hochkommt …« Mir wird schon wieder schlecht.
    »Ich glaube, es geht schon wieder los, ich muss auflegen, Frau Biergarten. Ich melde mich bei Ihnen?«
    »Tun Sie das. Gute Besserung. Und vergessen Sie nicht, viel zu trinken, am besten Kräuter...« Aber da habe ich das Gespräch schon beendet. Was für eine Labertasche. Das
wird anstrengend. Zumindest war sie nicht wütend. Ich sehe schnell in meinem Terminkalender nach. Keine weiteren Verabredungen heute. Na gut, dann spricht ja nichts gegen einen Kaffee. Ich gehe also zurück in die Küche, lasse mich vorsichtig auf die dargebotene Sitzgelegenheit gleiten und rutsche ein bisschen hin und her. Sitzen tut nicht weh. Haben wir vielleicht doch nicht? Das wäre zu schön um wahr zu sein. Durchdringend mustere ich Michael von der Seite, während er mir einen ziemlich perfekten Latte Macchiato im Glas serviert. Das nenne ich einen Service!
    »Danke«, sage ich und versenke mein Gesicht im Milchschaum. Sieht Michael aus, als hätte er heute Nacht Sex gehabt? Ich bin mir nicht sicher. Wir drei sitzen also rund um den kleinen runden Küchentisch und die beiden Herren versuchen, Konversation zu machen.
    »Na, dir ging es wohl gestern Abend nicht besonders?«, fragt Nick und hält mir einen gebutterten Toast mit Marmelade unter die Nase. Ich horche kurz in mich hinein. Kann ich es wagen, Nahrung zu mir zu nehmen? Mein Magen knurrt laut und vernehmlich. Ja, ich denke, ich kann. Und wenn nicht, weiß ich ja jetzt, wo das Badezimmer ist. Ich greife also zu und antworte:
    »Nein, nicht besonders, aber ich möchte nicht darüber reden.«
    »Ist okay.« Wir kauen schweigend, bis Michael fragt:
    »Sag mal, was machst du eigentlich beruflich, Helen?«
    »Ich bin Typberaterin.«
    »Typberaterin?«, fragt Nick mit einem ungläubigen Blick. »Willst du damit sagen, Menschen bezahlen Geld dafür, dass du ihnen sagst, wie sie mehr aus sich machen können?« Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber ich bin ganz sicher, gehört zu haben, dass er das DU besonders betont hat.

    »Allerdings«, blaffe ich ihn an. Am liebsten würde ich ihm die Augen auskratzen, die mich da kritisch von oben bis unten betrachten. Klar, wahrscheinlich sehe ich nicht viel besser aus als der Inhalt des himmelblauen Eimers heute Morgen. Ja, ich bin momentan vielleicht nicht gerade eine Augenweide, aber das wäre wohl niemand nach einer solchen Nacht. Und mein Outfit ist typgerecht, passt farblich optimal zu meinem Teint und wäre nicht so zerknittert, wenn dieser Idiot von Michael sich die Mühe gemacht hätte, es wenigstens über einen Stuhl zu hängen. Oder habe ich selber mir ekstatisch die Kleider vom Leib gerissen und sie auf den Boden geknüllt? Ganz ehrlich, das passt überhaupt nicht zu mir. Schon gar nicht, wenn ich eine Hundertfünfzig-Euro-Bluse von Freesoul trage. Gerade will ich ansetzen und diesen blöden Nick richtig zusammenstauchen, da geht Michael beruhigend dazwischen.
    »Das ist ja echt spannend. Findest du, dass mir diese Farbe steht?«, fragt er und zupft kurz an seinem camelfarbenen Langarm-T-Shirt. Ich werfe einen kurzen Blick darauf. Alle Achtung, ob Stilsicherheit oder Zufall, er hat tatsächlich
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