Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Venus allein zu Haus

Venus allein zu Haus

Titel: Venus allein zu Haus
Autoren: Voosen Jana
Vom Netzwerk:
das jetzt anscheinend
genau so, denn er wird erst rot, dann blass und hebt entschuldigend die Hände.
    »Helen, es tut mir Leid, ich … ich habe das wirklich nicht böse gemeint, ich dachte nur, weißt du, wir hatten doch eine schöne Zeit. Eine wunderschöne Zeit, trotz allem, ich dachte …« Er redet sich um Kopf und Kragen! »… als Erinnerungsstück. Wir gehen doch nicht im Bösen auseinander, es ist doch bloß …« Ha! Wie eine Furie schnelle ich auf ihn zu. Eigentlich ist es lächerlich, dass er vor meinen knapp eins sechzig zurückweicht, aber ich bin wahrscheinlich ein gefährlicher Anblick.
    »Und in diesem Punkt, mein Lieber, irrst du dich gewaltig«, keife ich, »wir gehen so böse auseinander, böser kann man gar nicht auseinander gehen. Du kannst dein Stück Blech zurückhaben«, noch immer zerre ich wie verrückt an dem Ring, meine Stimme überschlägt sich, »verschwinde, komm mir nie wieder unter die Augen …« Jan sieht mich noch einmal flehend an, dann dreht er sich um und verlässt fluchtartig das Café. In diesem Moment löst sich endlich der Ring, ich kann ihn mit einem knacksenden Geräusch vom Finger ziehen. Wütend werfe ich ihn Jan hinterher, als er gerade durch die Tür verschwindet. »Hier, lass ihn einschmelzen und mach dir was Hübsches daraus. Wie wär’s mit einem Brustwarzenpiercing?« Aber in diesem Moment schlägt die Tür hinter Jan zu, mein Verlobungsring prallt an dem dunkelbraunen Holz ab und fällt leicht klirrend auf die roten Bodenfliesen. Plötzlich scheint sich die Welt von mir zu entfernen. Es ist ein Gefühl, als würde ich mitten in einem großen Ballen Watte stehen, alles ist so unwirklich, so fern und dumpf. Ich erkenne die Gesichter der Menschen ringsherum, alle sehen mich an, die meisten mitleidig, manche auch ein wenig ängstlich, als würden sie einen Amoklauf fürchten. Die
Gesichter werden größer, dann scheinen sie sich wieder zu entfernen, ebenso der Geräuschpegel aus Musik und Getuschel. Ich sehe mich selber, wie ich dort stehe und alle starren mich an. Ich bin so müde. Der Barkeeper kommt auf mich zu, fasst mich vorsichtig am Arm und plötzlich ist dieses Wattegefühl weg.
    »Helen, bist du okay?« Er kennt meinen Namen? Irritiert sehe ich in seine blauen Augen. Natürlich, er heißt Martin. Er hat hier angefangen, kurz nachdem wir das Real zu unserem Stammlokal gemacht haben.
    »Aber jetzt gibt es kein ›Wir‹ mehr. Jetzt muss ich lernen, wieder ein ›Ich‹ zu sein«, sage ich. Verständnislos sieht er mich an. Dabei habe ich gar nicht mit ihm geredet, sondern mit Sophia. Aber davon später. Martin guckt jetzt mehr als besorgt, ebenso wie die anderen Gäste. Einer von ihnen steht auf und reicht mir mein Glas Wasser von unserem Tisch. Meinem Tisch. Das ist nett von ihm. Sag Danke, Helen!
    »Danke«, sage ich und nehme einen tiefen Schluck. Das tut gut. Es geht mir besser.
    »Können wir was für Sie tun?«, fragt der Mann mich höflich. Ich blicke zu ihm auf. Nein, es wäre zu schön um wahr zu sein, wenn ich jetzt einem Doppelgänger von Brad Pitt oder Mel Gibson in die strahlend blauen Augen sehen würde. Aber das Leben ist kein Märchen, und deswegen blicke ich in zwei freundliche, jedoch von deutlichen Tränensäcken untermalte Augen, die mir aus einem etwas aufgeschwemmten Gesicht entgegensehen. Außerdem hat der Mann das, was man wohl freundlich eine »hohe Stirn« und einen »Wohlstandsbauch« nennt. In meinem jetzigen Zustand wäre ich wahrscheinlich nicht besonders wählerisch, deshalb kann ich von Glück sagen, dass er noch etwas anderes hat: nämlich eine nette
schwarzhaarige Freundin mit großen dunklen Augen, die sich nun zu uns gesellt.
    »Ja, sollen wir nicht vielleicht lieber einen Arzt rufen? Sie sehen wirklich sehr blass aus«, sagt sie und streichelt mir mit der Hand leicht über die Wange. Sofort schießen mir bei dieser zärtlichen Geste die Tränen in die Augen. Bloß das nicht. Nicht weinen! Wenn ich jetzt anfange zu weinen, dann höre ich nie wieder auf. Ich kämpfe den Kloß im Hals tapfer zurück und wage den Ansatz eines Lächelns:
    »Nein, vielen Dank. Das ist nett von Ihnen, aber es geht mir gut.«
    »Wirklich?«, erklingt es ungläubig aus drei Kehlen und die dazugehörigen Gesichter mustern mich skeptisch.
    »Wirklich«, sage ich so überzeugend wie möglich. Auch für mich selbst. Vorsichtig drehe ich mich nach meinem Tisch um, gehe mit sehr geradem Rücken und erhobenem Haupt die paar Schritte darauf zu und greife
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher