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Venus allein zu Haus

Venus allein zu Haus

Titel: Venus allein zu Haus
Autoren: Voosen Jana
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mir plötzlich ein: Dotty! Das arme Viech muss ja schon halb verhungert sein. Ich eile in die Küche, die ganz am Ende des Flures liegt und sehe meine rot-weiß-gestreifte Katze vor dem Kühlschrank hocken. Wahrscheinlich versucht sie seit Stunden, ihn per Telekinese zu öffnen. Jetzt kommt sie maunzend auf mich zu
und sieht mich mit ihren großen grünen Augen vorwurfsvoll an.
    »Dotty, es tut mir so Leid«, sage ich, beuge mich zu ihr hinunter und nehme sie auf den Arm, »du wirst nicht glauben, was passiert ist. Jan ist weg.« Ich fange an zu schluchzen und verberge mein Gesicht in ihrem weichen Fell. Aber Dotty will nicht schmusen, sondern was zu essen. Sie windet sich in meinen Armen und miaut vorwurfsvoll. Na schön. Dann eben nicht. Keiner liebt mich. Ich lasse sie auf den Boden zurückgleiten und gehe zum Kühlschrank. Ich fülle den Napf mit ökologisch wertvollem Katzenfutter und sehe meiner Katze zu, wie sie sich halb verhungert darauf stürzt.
    Mit letzter Kraft sage ich aus gesundheitlichen Gründen die Termine für die komplette nächste Woche ab und rufe dann Lara an. Erst zu Hause. Da ist sie nicht. In der Werbeagentur, wo sie als Grafikdesignerin arbeitet, erreiche ich sie auch nicht und bei ihrem Handy antwortet nur die Mailbox.
    »Guten Tag. Lara Hesse kann Ihren Anruf zurzeit leider nicht entgegennehmen. Sie haben nach dem Piepton die Möglichkeit, Ihren Namen und eine Nachricht zu hinterlassen.«
    »Lara, ich …«, stammele ich und fange an zu heulen, »es ist was ganz Schlimmes passiert. Jan hat mich verlassen. Ich befinde mich in Phase 1!« Dann lege ich auf und stürze mich in Phase 1.
    Phase 1:
    Dauer:
    zwischen einer und drei Wochen
    Zutaten:
    Jogginghose, ausgeleiertes T-Shirt (von Jan), Sofa oder Bett, Fernseher, traurige Musik, Familienpackung Tempotaschentücher
mit Aloe-Vera-Beschichtung, etwa zehn Liter Hägen-Dasz-Eis
    TO-DO:
    rumhängen, heulen, leiden
    NOT-TO-DO:
    arbeiten, waschen, schminken, IHN anrufen
    Es dauert keine drei Stunden, bis es an der Tür Sturm klingelt. Ich schrecke vom Sofa auf, mein Herzschlag setzt einen Moment aus. Einen irrationalen Moment lang hoffe ich, dass es Jan ist, der plötzlich gemerkt hat, was er an heterosexuellem Sex hatte. Meine Vernunft sagt mir aber, dass es Lara ist. Ich schlurfe zur Tür, betätige den Öffner und warte. Ich kann hören, wie Laras Absätze eilig die vier Stockwerke zu mir heraufhasten, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Und da steht sie auch schon vor mir. Halblange schwarze Haare, perfektes Make-up, eine enge türkisblaue Bluse, die wunderbar zu ihren Augen passt und sich wie eine zweite Haut an ihren makellosen Oberkörper schmiegt, schwarze Schlaghosen, hohe Stiefel, das Erscheinungsbild abgerundet durch Accessoires wie einen passenden breiten Gürtel, Ohrringe, Armband und Kette. So schlecht es mir auch geht, ich bin stolz auf meine Freundin. Oder auf mein Werk. Natürlich kann sie meine Beratungsleistungen gratis in Anspruch nehmen. Als sie auf mich zukommt, um mich in die Arme zu schließen, wird mir der Kontrast zwischen uns schmerzlich bewusst. Ungeschminkt, in ausgebeulten grauen Jogginghosen, Flipflops an den Füßen, und in dem einzigen T-Shirt, dass so richtig nach Jan riecht. Es ist gelb, und gelb steht mir überhaupt nicht. Ich fühle mich erbärmlich, aber so muss es sein. Dazu ist Phase eins da.
    Ich lasse Lara eintreten. Während ich zurück ins Wohnzimmer
watschele und mich auf dem Sofa unter meine Kuscheldecke verkrümele, geht sie erst mal in die Küche und bestückt das Gefrierfach mit dem mitgebrachten Eis.
    »Welche Sorte?«, ruft sie mir zu.
    »Mir egal!« Auch das gehört dazu. Mir ist alles egal. Mit zwei Löffeln und einem Becher »Cookies and Cream« bewaffnet kommt Lara zu mir zurück und setzt sich. Und dann fange ich an zu erzählen. Als ich geendet habe, ist es sehr still. Lara hat schon viel erlebt und noch mehr mit mir, aber das schockiert auch sie.
    »Das ist doch, das kann doch nicht … nein!«, stottert sie und ich nicke. Meine Tränen laufen und laufen. Ein Wunder, dass ich nicht schon verschrumpelt bin wie eine Rosine. Was mache ich denn falsch? Nun war ich doch schon so kurz vor dem Ziel. Verheiratet wollte ich sein, bevor ich dreißig bin. Und jetzt? Aus der Traum! Ich bin einfach ein Beziehungsversager. Ich weiß auch nicht, warum. Ich halte mich eigentlich für einen netten Menschen. Jemanden, mit dem man gerne zusammen sein müsste. Ich bin vielleicht kein Model und auch keine
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