Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Venus allein zu Haus

Venus allein zu Haus

Titel: Venus allein zu Haus
Autoren: Voosen Jana
Vom Netzwerk:
1.
    »Das letzte Einhorn« ist sein Lieblingsfilm, hat er mir erzählt. Entzückend fand ich das damals, ja, rührend. Wie blind kann ein Mensch sein?
    »Es tut mir Leid«, sagt er, schaut mich mit seinen sanften rehbraunen Augen an und legt seine Hand auf meine. Ich erwache aus der Starre, in die ich ob seiner »Neuigkeiten« gefallen bin und ziehe meine Hand schnell weg. Wir sitzen uns im Café Real in der Hamburger »Langen Reihe« gegenüber, zum sicher hundertsten Mal in den letzten zweieinhalb Jahren, die wir jetzt zusammen sind. Waren. Verdammt! Mir schießen die Tränen in die Augen. Ihm auch. »Ich kann nichts dafür, Helen!« Wütend funkele ich ihn an:
    »Fang jetzt bloß nicht an zu heulen, dazu hast du kein Recht«, krächze ich mit heiserer Stimme, »das ist ja wohl mein Part.«
    »Aber mir tut es auch weh«, wimmert er, und große Tropfen kullern aus seinen Augenwinkeln über die scharfen Konturen seines braungebrannten Gesichtes, laufen sein markantes Kinn hinunter. Wie oft haben meine Lippen
denselben Weg genommen? Ich liebe Jan. Ich liebe diesen Mann mehr als alles andere auf der Welt und nun soll ich ihn verlieren. Er verlässt mich und ich kann nichts dagegen tun. Ich kann noch nicht einmal um ihn kämpfen. Ich würde es tun, wenn ich eine Chance hätte. Aber so. Ich möchte am liebsten schreien.
    »Verschwinde«, bringe ich stattdessen im Flüsterton heraus.
    »Nein -«, will er widersprechen, doch dann sieht er meinen Blick.
    »Bitte«, flehe ich ihn an, »verschwinde. Steh auf, verlass dieses Café und mein Leben.«
    »Nein, Helen, bitte, das kann nicht dein Ernst sein. Wir … du weißt doch, wie lieb ich dich habe. Können wir denn nicht …« Wenn er jetzt sagt »Freunde bleiben«, bekomme ich einen Nervenzusammenbruch.
    »… Freunde bleiben? Bitte!«
    Ich bekomme keinen Nervenzusammenbruch. Ich bin viel zu sehr damit beschäftigt, keinen zu bekommen, um einen zu bekommen.
    »Nein, das können wir nicht. Bitte, Jan, geh jetzt.« Ja, bitte geh, bevor ich vor dir auf die Knie falle und dich (sinnloserweise) anbettle, es dir noch mal anders zu überlegen. Irgendwas in meinem Blick scheint ihm zu sagen, dass ihm genau das bevorsteht. Ich bin froh, dass er mir diese Demütigung erspart. Er steht auf, ein letztes Mal kann ich seine ein Meter zweiundachtzig in voller Grö ße bewundern, der durchtrainierte Oberkörper zeichnet sich unter seinem engen weißen T-Shirt ab, braune muskulöse Arme, seine schlanken Chirurgenhände. Ich liebe diese Hände. Was hat dieser Mann mit diesen Händen in mir auslösen können? Er kann doch nicht, nein, es kann nicht sein. Gerade will ich den Mund aufmachen, als ich
sehe, wie er seinen Ring vom linken Ringfinger zieht. Unseren weißgoldenen Verlobungsring. Mir bleibt das Wort im Halse stecken, als er ihn vor mich auf den Tisch legt. Und von einem Moment auf den anderen ist mein Schmerz wie weggeblasen. Ich bin nur noch wütend.
    »Was soll ich damit«, fauche ich wie eine getretene Katze, »den hast du doch bezahlt. Hier, ich gebe dir meinen auch gleich.« Damit beginne ich hektisch, an dem Gegenstück zu zerren, das sich an meiner linken Hand befindet.
    »Lass das, Helen«, sagt Jan beschwichtigend, »ich will ihn nicht zurück, ich dachte nur, na ja – vielleicht könntest du die Ringe einschmelzen und dir was Hübsches daraus machen lassen …« Sprachlos, mit offenem Mund, sehe ich zu ihm hoch. Für einen Moment vergesse ich sogar, an dem verfluchten Ring zu ziehen, der sich um kein Stück bewegen lässt. Anscheinend sind meine Finger von dem Schock auf das Doppelte angeschwollen. Oder ich habe stark zugenommen in den letzten fünf Wochen, seit dem 14. Februar, als er mir den Ring geschenkt hat. »Eine Kette oder so«, stammelt Jan und streicht sich nervös eine blonde Haarsträhne aus der Stirn.
    »Du tickst wohl nicht mehr ganz richtig«, schreie ich ihn an und springe so schnell auf, dass er zusammenfährt und einen Schritt zurückweicht. Die anderen Gäste im Real drehen sich erschrocken zu uns um, der Barkeeper guckt richtiggehend alarmiert und tauscht einen Blick mit Jan. So nach dem Motte: »Alles okay oder dreht die Alte durch?« Natürlich dreht die Alte durch! Und sie hat allen Grund dazu. »Ich soll mir was Hübsches aus unseren Verlobungsringen machen lassen?«, kreische ich hysterisch, »so was … also, das ist ja wohl …«, mir fehlen die Worte, »das ist wirklich das GRAUSAMSTE, was ich jemals von einem Menschen gehört habe.« Jan sieht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher