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Venus allein zu Haus

Venus allein zu Haus

Titel: Venus allein zu Haus
Autoren: Voosen Jana
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wohnen. Oh Gott, darüber habe ich ja überhaupt noch nicht nachgedacht. Wir wohnen ja zusammen. Zugegeben, noch nicht besonders lange. Genau genommen erst seit dreieinhalb Wochen. Dreieinhalb Wochen Zusammenleben mit mir genügen einem Mann, um das Ufer zu wechseln. Die Rückenschmerzen vom Möbelschleppen in den vierten Stock sind gerade so eben abgeebbt, da steht schon der nächste Umzug ins Haus. Da vorne ist ein Taxi, Gott sei Dank.
    »Dorotheenstraße 56«, sage ich und lasse mich erschöpft auf den Rücksitz fallen. Wo soll ich auch sonst hin?
    Während sich das Taxi durch den Hamburger Verkehr quält, quälen mich meine Gedanken. Das war es also mit meiner Beziehung, was rede ich, mit meinem Leben. Zumindest mit dem Leben, das ich mir ausgemalt hatte. Wir hatten doch sogar schon einen Hochzeitstermin festgelegt. Am 30. September wollten wir uns das Ja-Wort geben, genau drei Monate nach Laras Hochzeit. Für immer und ewig. Bis dass der Tod uns scheidet. Stattdessen hat uns jetzt ein anderer Mann geschieden. Und was bedeutet das für mich? Dass ich wieder alleine bin. Dass ich wieder von vorne anfangen kann. Obwohl ich weiß Gott
nicht jünger werde, auch wenn man das nicht sieht. Und es bedeutet auch, dass ich alles rückgängig machen muss, was ich bereits für die Hochzeit geplant habe. Und da ich ein gründlicher Mensch bin, ist das so ziemlich alles: Kirche und Festsaal sind gebucht, das Kleid gekauft, sogar die Einladungen sind bereits verschickt. Das habe ich vor zwei Wochen erledigt und von meiner ellenlangen Liste gestrichen.
    »Was? Sechseinhalb Monate vorher? Ist das nicht ein bisschen zu früh?«, hat Jan mich mit hochgezogenen Augenbrauen gefragt und noch neckend hinzugefügt: »Selbst für deine Verhältnisse?« Wie Recht er hatte. Mir wird schwarz vor Augen vor Scham, wenn ich daran denke, dass ich jetzt alle Gäste wieder ausladen muss. All meine wertvollen Geschäftskontakte: Designer, Hairstylisten, Kosmetikerinnen, Fitnesstrainer. Oh Gott, ich habe halb Hamburg eingeladen. Ich kann es nicht fassen. Alles war doch so großartig, so perfekt, so unglaublich gut durchdacht. Die Nienstedter Kirche ist wunderschön, weder zu groß noch zu klein, direkt an der Elbchaussee gelegen und in unmittelbarer Nähe des Hotels, in dessen Restaurant wir feiern wollten. Man kann mir wirklich nicht nachsagen, dass ich auch nur in einem einzigen Punkt irgendwie nachlässig gehandelt hätte. Nein, ich habe mich sogar mit meinem Kalender hingesetzt und ausgezählt, dass ich an besagtem Datum mit Sicherheit nicht meine Periode haben werde. Man stelle sich das mal vor: Unterleibschmerzen, womöglich ein gro ßer Pickel auf der Stirn, und das am Hochzeitstag. In der Hochzeitsnacht ist das natürlich auch nicht von Vorteil. Nun, jedenfalls habe ich wirklich alles bedacht, sämtliche Eventualitäten ausgeschlossen, bis auf die eine: dass mein Bräutigam mich plötzlich nicht mehr wollen könnte. Dieser Gedanke, das muss ich zugeben, lag mir fern.

    Zwanzig Minuten später erklimme ich bedrückt die Stufen unseres Altbaus. Bitte, bitte, sei nicht zu Hause, bete ich stumm vor mich hin. Ganz ehrlich, ich hatte eine schlimme Nacht. Drei schwule Männer hintereinander halte ich nicht aus. Oder vielleicht sogar vier? Was ist denn, wenn Jan seinen »Geliebten« mit nach Hause gebracht hat? Wer ist der Kerl eigentlich? Kurz erscheint vor meinem inneren Auge das Bild von Jan, meinem Jan, der sich mit einem gesichtslosen Unbekannten durch die Laken wälzt. Dabei wird mir schon wieder leicht flau im Magen.
    Ich atme tief durch, stecke den Schlüssel ins Schloss. Er lässt sich einmal, zweimal herumdrehen. Niemand zu Hause. Ich betrete die Wohnung und rufe trotzdem noch einmal leise:
    »Hallo?« Dann beginne ich meinen Rundgang. »Jan, bist du da?« Sei da, bitte sei da. Sag, dass alles nur ein Scherz war. Ich bekomme keine Antwort. Ich gehe über den langen, mit Parkett ausgelegten Flur und öffne eine Tür nach der anderen. Wohnzimmer, Arbeitszimmer, Bad. Keine Spur von Jan. Die Tür zum Schlafzimmer steht offen. Ich gehe hinein. Das Bett ist unberührt, nur in der Mitte der Bettdecke befindet sich eine kleine Vertiefung. Oh nein. Habe ich denn schon wieder vergessen, die Schlafzimmertür abzuschließen? Nun hat Dotty es doch wieder geschafft, sich Eintritt zu verschaffen. Sie ist nämlich eine sehr schlaue Katze, die Türen öffnen kann. Dabei darf sie gar nicht ins Schlafzimmer. Jan hat nämlich eine Katzenallergie. Da fällt
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