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Beachrats

Beachrats

Titel: Beachrats
Autoren: Tobias Jäger
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Kapitel 1: Kevin
    Die Sonne, die durch eine Lücke im Vorhang in den Raum schien, weckte mich. Mit geschlossenen Augen tastete ich auf dem Bett neben mir. Rick war nicht da und das Bett war auch nicht mehr warm. Ich fragte mich, wo er sein könnte. Dann fiel mir jedoch ein, dass Samstag war.
    Rick nutzte fast jeden Samstag Morgen, um zu laufen. Ich werde nie verstehen, warum man freiwillig 20 Meilen läuft - vor allem, wenn man stattdessen im Bett liegen bleiben kann. Rick war seinem Training am Samstag Morgen aber fast genauso treu wie mir. Er freute sich darauf wie ein kleines Kind auf Weihnachten.
    Ich kroch aus dem Bett und schleppte mich unter die Dusche. Anschließend zog ich mich an und ging in die Küche. Während ich die Kaffeemaschine einschaltete, dachte ich darüber nach, dass ich mich für den glücklichsten Menschen auf der Welt hielt. Vor nicht einmal einem Monat hatten Rick und ich eine kleine Zeremonie, bei der wir uns versprochen hatten, den Rest unseres Lebens miteinander zu verbringen. Auch wenn es rechtlich überhaupt keine Bedeutung hatte, trugen wir Hochzeitsringe. Unserem perfekten Glück fehlte eigentlich nur noch eines: ein Kind. Allerdings waren wir beide erst 25 und fühlten uns für eine solche Verantwortung noch nicht bereit.
    Ich riss mich aus meinen Gedanken und ging kurz vor die Tür, um die Zeitung zu holen. Mit einer Tasse Kaffee bewaffnet setzte ich mich an den Tisch und überflog die Titelseite. Einen Artikel über den Krieg in Afghanistan und ein weiteres, sinnloses Selbstmordattentat, bei dem wieder amerikanische Soldaten ums Leben gekommen waren, las ich ein bisschen aufmerksamer. Glücklicherweise betraf uns dieser sinnlose Krieg nicht persönlich - dachte ich zumindest.
    Nach der Titelseite widmete ich mich dem Sportteil. In einem Artikel verspottete der Autor die University of Alabama , die am Vorabend eine außerordentlich peinliche Niederlage im Football hinnehmen musste.
    Ich sah von meiner Zeitung auf und warf einen Blick aus dem Fenster. Man konnte von unserer Küche aus in die Einfahrt des Nachbarhauses sehen, wo ich George Williams, unseren Nachbarn und guten Freund, entdeckte. Er schien mit seinem Sohn David eine ernsthafte Diskussion zu führen. Da das Fenster geschlossen war, konnte ich natürlich nicht hören, worüber sie sprachen, aber David wirkte aufgewühlt und irgendwie verzweifelt. Beide gestikulierten immer wieder in Richtung unseres Hauses. Ich fragte mich, ob sie über Rick und mich sprachen.
    George war in einem undefinierbaren Alter, irgendwo zwischen 35 und 45. Aus irgendeinem Grund hatten wir nie nach seinem genauen Alter gefragt. Vermutlich spielte es auch keine Rolle. Er war Kieferchirurg und arbeitete für die Navy. Vor etwa einem Jahr waren er und David in das Haus nebenan eingezogen. Zuvor gehörte es ebenfalls einem Kieferchirurgen, der aber mittlerweile im Ruhestand war. Es gab keine Mrs. Williams und da es uns nichts anging, fragten wir auch nicht, wo Davids Mutter war. Soweit wir wussten ging George auch nicht mit anderen Frauen aus. Als Rick und ich heirateten, schien er sich aufrichtig für uns zu freuen und er gehörte zu einer Hand voll Menschen, von denen wir ein Hochzeitsgeschenk bekommen hatten.
    David war vierzehn Jahre alt, gut aussehend, sportlich und mit 1,70 Meter fast schon so groß wie sein Vater. Seine dunkelblonden Haare sahen nass aus. Das konnte an einem Basketball-Spiel 1 gegen 1 mit George gelegen haben oder an dem Gel, das er für seine strubbelige Frisur verwendete. David hatte keine Probleme mit Rick und mir und fühlte sich scheinbar in unserer Gegenwart wohl. Als er in der Middle School Baseball spielte, gingen Rick und ich gelegentlich zu seinen Spielen - hauptsächlich wenn sein Vater keine Zeit hatte, um ihm zuzusehen. Darüber hinaus hatte er bereits ein paar Nächte in unserem Gästezimmer verbracht, als George für ein oder zwei Tage nicht in der Stadt war.
    Als George und David nach einer Weile in ihrem Haus verschwanden, widmete ich mich wieder meiner Tasse Kaffee und der Zeitung. Da kurz darauf das Telefon klingelte, kam ich jedoch nicht weit.
    »Hallo«, meldete ich mich.
    »Kannst du die Scheiße glauben?«
    Es war William, mein älterer Bruder und eigentlich ein ausgesprochen freundlicher Anwalt aus New Orleans, der allerdings in diesem Moment ein außerordentlich wütender Football-Fan war.
    Wir plauderten eine halbe Stunde lang über das Spiel vom Vorabend, aber mir war schnell klar, dass er aus einem
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