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Venus allein zu Haus

Venus allein zu Haus

Titel: Venus allein zu Haus
Autoren: Voosen Jana
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diesem Moment beginnt die Welt um mich herum, sich zu drehen. Erst langsam, dann immer schneller und schneller, dazu kommt jetzt auch noch eine horizontale Wellenbewegung wie bei diesen ganz gemeinen Kirmeskarussells, in denen einem sofort die Zuckerwatte wieder hochkommt. Verstört blicke ich Michael an, sein Gesicht wabert auf und ab und wird plötzlich ganz groß. Ach so, er kommt auf mich zu.
    »Miiihiiissss.« Plötzlich habe ich meine Zunge nicht mehr unter Kontrolle. »Miiihhiiisssss schlächch«, versuche ich es erneut, aber keine Chance. Oh Gott, ist mir plötzlich übel. Wenn diese verdammte Kneipe bloß aufhören
würde, sich zu drehen. Zum dritten Mal an diesem Abend kippe ich vom Stuhl und hänge erneut in Michaels Armen. Na, macht nichts, sein Hemd ist ja eh schon ruiniert.
    »Okay, ich glaube, du musst jetzt dringend ins Bett«, höre ich Michael über meinem Kopf sagen. Hab ich’s doch geahnt. Jetzt will er mich abschleppen.
    »Nichchchchmimia«, versuche ich ihm klar zu machen. Er guckt verständnislos und klemmt mich unter den Arm. Da hänge ich nun also und gucke mir interessiert die bunten Lämpchen an, die um den Ficus in der Ecke geschlungen sind. Hübsch. Wie aus weiter Ferne höre ich Pete sagen:
    »Also, dein Martini macht fünf Euro und die Lady hatte vier Weißwein und sieben Tequila, macht … zweiundvierzig Euro.«
    »Okay!« In diesem Moment sehe ich eine behaarte Männerhand, die sich meiner Handtasche nähert, die noch immer über dem Barhocker hängt. Als sie nur noch wenige Zentimeter davon entfernt und ihre Absicht eindeutig ist, werfe ich mich mit einem Hechtsprung nach vorne und reiße die Tasche an mich. Puh, gerade noch rechtzeitig. Erleichtert presse ich die Beute an meine Brust.
    »Helen, gib mir deine Tasche, damit ich deine Rechnung bezahlen kann«, sagt Michael langsam und deutlich zu mir. Da kann ja jeder kommen. Und wenn ich in meinem jetzigen Zustand bin, dann wollen mich die Männer entweder flachlegen oder beklauen. Und dieser hier will anscheinend beides zusammen.
    »Krrrichchchssssuniiicccchhh«, sage ich bestimmt.
    »Du kriegst sie ja gleich wieder«, verspricht er mir und greift nach der Tasche.
    »Nein«, schreie ich so laut ich kann. Alle Köpfe drehen sich in unsere Richtung und Michael zieht schnell die
Hand zurück. Er guckt mich wütend an und greift dann nach seinem eigenen Portemonnaie. Klar ist er jetzt sauer, schließlich habe ich ihm die Tour vermasselt. Allerdings mag ich es nicht, wenn jemand böse mit mir ist. Michael knallt einen Fünfzig-Euro-Schein auf den Tresen.
    »Stimmt so. Tschüß.« Er schnappt sich seine Jacke und zieht sie an.
    »Hey, was ist denn mit ihr?«, fragt Pete. Ich stehe da wie bestellt und nicht abgeholt. Michael guckt mich so kalt an, dass mir die Tränen in die Augen steigen. Eben hat er mich doch noch so liebevoll im Arm gehalten. Ich lehne mich gegen ihn und gucke ihn von unten herauf (er muss mindestens ein Meter fünfundachtzig sein) treuherzig an.
    »Na schön«, knurrt er dann auch, »ich setze sie in ein Taxi.« Halb schleift er mich, halb trägt er mich aus der Kneipe hinaus und auf die Straße.
    Ist ja stockduster mittlerweile. Und ganz schön kalt. Fröstelnd ziehe ich die Schultern hoch. Nüchtern macht mich die frische Luft allerdings nicht.
    »Also, wo wohnst du?«, fragt Michael mich und winkt gleichzeitig ein Taxi herbei. »Wo du wohnst, will ich wissen.« Wo ich wohne? Gute Frage! Es fällt mir im Moment partout nicht ein. Ich weiß, dass ich mal in der Helenenstraße in Altona gewohnt habe. Helenenstraße 12. Das war meine erste eigene Wohnung vor zehn Jahren. Jawoll! Dann bin ich umgezogen. Und wohin? Angestrengt lege ich die Stirn in Falten, aber ich komme einfach nicht drauf. Das Taxi hält neben uns und Michael sieht mich erwartungsvoll an. Ich finde es gerade wahnsinnig komisch, plötzlich obdachlos zu sein und fange an zu gackern.
    »Jetzt sag schon«, fährt Michael mich genervt an.
    »Weeeiiißßnnichh«, pruste ich.

    »Wird ja wohl auf deinem Perso stehen«, sagt er und greift nach meiner Tasche. Sofort versteife ich mich, kralle meine Nägel in das schwarze Leder und sehe ihn drohend an.
    »Was ist denn nu?«, erklingt es gereizt vom Fahrersitz des Taxis.
    »Schon gut«, sagt Michael und schiebt mich auf den Rücksitz, »dann kommst du eben mit zu mir. Osterstra ße 30«, ruft er nach vorne. Jetzt klingt er schon wieder so böse, dabei sollte er sich doch eigentlich freuen, dass ich mit zu ihm
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