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Venus allein zu Haus

Venus allein zu Haus

Titel: Venus allein zu Haus
Autoren: Voosen Jana
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komme, oder? Ich betrachte ihn interessiert von der Seite und lehne mich gegen seine Schulter, um mich wieder bei ihm einzuschmeicheln. Ich betrachte sein Profil. Es ist richtig schön, klassisch-griechisch. Jan wird wahnsinnig eifersüchtig sein, wenn ich mit diesem Mann schlafe. Fragt sich nur, ob auf ihn oder auf mich. Schluchz. Im Moment macht Michael allerdings keine Anstalten, mit mir zu knutschen oder so, aber das ist mir eigentlich ganz recht. Der Taxifahrer legt sich ziemlich rasant in jede Kurve, und um mich herum dreht sich schon wieder alles. Ich mache lieber kurz die Augen zu und konzentriere mich auf den Punkt zwischen meinen Augenbrauen.

2.
    Vorsichtig öffne ich mein linkes Auge. Ein Lichtstrahl findet den Weg durch die noch halb geschlossenen Lider, durch meine Pupille auf die Netzhaut und weiter bis in die Mitte meines Schädels, wo er eine wahre Schmerzexplosion verursacht, die mich aufstöhnen lässt. Schnell presse ich die Augen wieder fest zu und warte ab, bis sich die Wellen des Schmerzes geglättet haben. Ich versuche, einen klaren Gedanken zu fassen. Warum tut mir der Kopf so weh? Was ist passiert? Wie spät ist es? Welchen Tag haben wir heute? Welches Jahr? Etwas kratzt mich am Kinn. Ich taste mit den Fingern danach und stelle fest, dass ich unter einer ziemlich verfilzten dunkelblauen Wolldecke liege. Was ist denn bloß über Nacht aus meiner wundervollen, neuen silbernen Satinbettwäsche geworden? Langsam kommen mir unzusammenhängende Bilder von gestern Abend in den Sinn. Das Café Real, die Verlobungsringe, Jans Coming-out. Und da war doch noch jemand, wie hieß er noch gleich? Vor meinem inneren Auge erscheint ein bis zum Rand gefülltes Schnapsglas mit einer goldenen Flüssigkeit darin. Tequila. Bei diesem Gedanken dreht sich
mir der Magen um, ungeachtet des Kopfschmerzes öffne ich meine Augen, presse mir die Hand vor den Mund und suche hektisch nach irgendetwas, in das ich mich übergeben kann. Gott sei Dank brauche ich nicht lange zu suchen: Direkt neben der Couch auf der ich liege steht ein himmelblauer Zehn-Liter-Eimer, der mir, dem Inhalt nach zu schließen, anscheinend heute Nacht schon einmal zu Diensten stand. Würg! Im wahrsten Sinne des Wortes.
    Nachdem ich mich entleert habe, sinke ich stöhnend zurück und lasse meine Augen sehr vorsichtig durch den mir fremden Raum wandern. Ein gerahmtes Poster der Skyline von New York hängt genau über dem Sofa, gegenüber steht ein riesiger Fernseher mit Videorekorder, DVD-Player und noch allerlei Gerätschaften. Mannshohe Boxen in jeder Ecke, ein gläserner Esstisch mit vier extravaganten türkisfarbigen Stühlen, zwei Sitzsäcke auf dem Fußboden, daneben ein Couchtisch mit Zeitschriften. Spiegel, Stern, Auto, Motor und Sport. Eindeutig ein Männerwohnzimmer. Petes Wohnzimmer. Nein, Michael hieß er doch, oder? Und wer bitte schön ist Pete? Was zum Teufel ist passiert? Ach, ich weiß, er wollte meine Tasche klauen. Und dann saßen wir plötzlich im Taxi. Ganz eindeutig hat er meinen Zustand ausgenutzt und mich in seine Wohnung verschleppt. Das ist doch die Höhe! Mein Blick fällt auf ein paar Stoffstücke auf dem Boden neben mir, die unschwer als meine Bluse und Hose zu identifizieren sind. Oh nein, bitte nicht! Mit der Hand fahre ich unter die Decke und taste meinen Körper ab. Er steckt in einem riesigen T-Shirt. Den Slip habe ich noch an, aber das will wirklich nichts heißen. Vorsichtig befühle ich meinen Schritt. Hm, nichts Außergewöhnliches festzustellen. Besonders wild scheint es nicht zugegangen zu sein. Oder der Mann ist trotz seines Körperbaus dort unten eher im Lande Liliput ausgestattet
worden. Oh Gott, ich kann es nicht glauben. Ich kann mich an nichts, an gar nichts erinnern. Was ist bloß los mit mir? Ich nehme doch nicht mal die Pille. Haben wir ein Kondom benutzt? Was, wenn nicht? Ungewollte Schwangerschaft, Aids, Tripper, Herpes. Horrorszenarien schießen mir durch den Kopf. Wie kann man nur so die Kontrolle verlieren? Mein Gott, ich bin neunundzwanzig Jahre alt. Ist mir schlecht. Mühsam setze ich mich auf. Beim Anblick des gut gefüllten Eimers neben mir wird mir noch ein bisschen schlechter. Ich ziehe mir das T-Shirt über den Kopf und angle nach meinen Klamotten auf dem Fußboden. Sie sind natürlich völlig zerknautscht. Na toll. Damit mir auch jeder auf der Straße ansieht, dass ich von einem One-Night-Stand nach Hause wanke. Am liebsten würde ich mich jetzt einfach so schnell es geht von dannen
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