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...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst

...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst

Titel: ...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst
Autoren: Julia Arden
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das nicht fassen konnte, dass es Unmengen von seinem Lieblingseis essen durfte. »Für mich?«
    »Mach es auf«, sagte Michaela lächelnd.
    Tanja betrachtete ehrfürchtig die Schachtel, nahm sie in ihre Hand, schob langsam das Band über die Ecke, entfernte das Papier. Fasziniert starrte sie auf den Inhalt der kleinen Schachtel. Schließlich berührten ihre Finger vorsichtig die darin liegende Kette, nahmen sie heraus. Ein dünnes, rundes Kautschukhalsband, auf dem, in gleichmäßigen Abständen fest aufgepresst, silberne Ringe saßen. In der Mitte, links und rechts eingefasst mit ebensolchen silbernen Ringen, ein funkelnder, blauer, länglicher Stein.
    »Er wird gut zu deinen Augen passen«, erläuterte Michaela ihre Wahl.
    Besagte Augen füllten sich gerade mit Tränen. »Sagtest du nicht, du tust dich schwer mit so was?« presste Tanja bewegt hervor.
    Ja , stellte Michaela verwundert fest. Doch während ihres Einkaufsbummels hatte sie tausend Dinge gesehen, die alle gut zu Tanja gepasst hätten. Diese Kette war nur eines davon, ein besonders schönes, wie sie fand. Und Tanja fand das offenbar auch. Die Überraschung war gelungen.
    Tanja schaute immer noch ganz fasziniert auf den Modeschmuck in ihrer Hand. Plötzlich stand sie auf und verschwand. In Richtung Toiletten, wie Michaela registrierte. Als Tanja wiederkam, lag die Kette um ihren Hals, die Tränen in den Augen waren verschwunden. Statt dessen leuchteten sie glücklich. Und – wie Michaela vermutet hatte – der kleine Stein an der Kette passte genau zu diesem blauen Leuchten.
    Tanja umarmte Michaela samt Stuhl von hinten. »Danke«, flüsterte sie dabei in ihr Ohr. Michaela spürte einen kurzen Augenblick Tanjas warme Lippen. Oder war es nur ihr Atem, der sie streifte? Egal was es war, Michaela fühlte sich Tanja in diesem Moment sehr nah. Ihr diese Freude zu bereiten, sie dabei zu beobachten, wie sie das Geschenk aufmachte, hatte Michaela Spaß gemacht. Sie empfand den Augenblick als wohltuend.
    Die Kellnerin brachte den Kaffee. Tanjas eben noch so strahlendes Gesicht verdüsterte sich erneut. »Schade«, sagte sie leise.
    Michaela schaute sie verwirrt an. »Was meinst du?«
    Tanja tat sich schwer. »Ach, nicht so wichtig.«
    »Na los, sag schon«, forderte Michaela sie auf.
    Zögerlich gestand Tanja: »Wir werden uns gleich verabschieden. Dieser Kaffee noch, vielleicht ein zweiter und dann . . . werde ich dich wohl nicht wiedersehen.«
    Michaela fühlte, wie Scham in ihr hochstieg. Sie hatte für einen kurzen Moment vergessen, warum sie hier mit Tanja saß. Der Tag war so schön gewesen, sie hatte ihn einfach genossen. So wie Tanja auch. Aber nun erinnerte Michaela sich, wie alles angefangen hatte und warum. Und jetzt würde sie sich Tanjas offensichtliche Sympathie zunutze machen. So sah es der Plan schließlich vor. Nur dass ein anderer Teil des Planes vorsah, dass Tanja eine trotzige junge Frau war, die den Aufstand probte. Aufsässigkeit aus verletzter Eitelkeit. Im Grunde oberflächlich und egoistisch. Eine Motivation, für die sie, Michaela, kein Verständnis hatte und die es ihr, trotz gewisser moralischer Bedenken, leicht machen sollte, an dem geplanten Komplott teilzunehmen. Dieser Teil des Planes hatte sich als fehlerhaft erwiesen.
    Tanja war weder trotzig noch oberflächlich oder egoistisch. Obwohl ihre Gefühle über einen sehr langen Zeitraum hinweg verletzt worden waren, was tiefe Wunden hinterlassen hatte, wütete Tanja nicht. Sie nahm den Schmerz still hin, litt leise, beinah unsichtbar. Wären da nicht diese traurigen Augen . . .
    Wie soll ich in diese Augen sehen und einfach weitermachen?
    Aber du kannst noch zurück, Michaela! Du kannst Tanja einfach sagen, dass es ein netter Tag war, den du genossen hast, aber nun musst du, wie sie selbst erkannt hat, gehen. Auf Wiedersehen und fertig. Walter Kanter sagst du, dass er dich zwar am ausgestreckten Arm verhungern lassen, aber nicht zwingen kann, bei dieser unmoralischen Sache mitzumachen. Und Vanessa erzählst du erst gar nichts von alldem, schon gar nicht, dass du die Chance auf Gomera sausen lässt, weil du nicht in zwei enttäuschte blaue Augen sehen willst, wenn der Schwindel auffliegt. Fazit: Keine Karriere, kein Aufwind in der Beziehung, aber ein reines Gewissen.
    Michaela wollte schon aufstehen und sich verabschieden, als ein anderer Gedanke sie einholte: Half sie Tanja wirklich, wenn sie jetzt ging? Würde Walter Kanter nicht einfach jemand anderen finden, der die Rolle
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