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...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst

...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst

Titel: ...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst
Autoren: Julia Arden
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Geschenk?« Tanjas Augen leuchteten. »Das ist schön«, sagte sie leise.
    Michaela wunderte sich über die Melancholie in Tanjas Stimme. Sie musste schon wieder einen wunden Punkt in Tanjas Inneren getroffen haben. Nur war Michaela nicht klar, welcher das sein sollte. Tanja hatte in ihrem Leben doch wohl nicht unter Mangel an Geschenken gelitten. Walter Kanter konnte seiner Tochter eine ganze Geschenk boutique kaufen. Eine Geschenkboutiqueladenkette, wenn es sein musste.
    »Ja natürlich, ein Geschenk. Was sonst bekommt man zum Geburtstag?« fragte Michaela verwirrt. Auch wenn ihre Meine-Freundin-hat-Geburtstag-Geschichte erfunden war, es interessierte sie, was es mit Tanjas Traurigkeit auf sich hatte.
    Tanja schaute sie ruhig an. »Gutscheine. Ich bekomme immer Gutscheine. Mein Vater hat keine Zeit, auf Geschenksuche zu gehen. Er sagt immer, er wüsste nicht, was Mädchen sich wünschen. ›Mach dir selbst eine Freude‹, lautet sein Standardspruch. Auf den Gedanken, dass es mir egal wäre, was er mir schenkt, wenn ich nur das Gefühl hätte, er hat sich in seinen Gedanken eine Minute mit mir beschäftigt, ist er noch nicht gekommen.«
    Michaela hörte bedrückt zu. »Und deine Freunde?« fragte sie.
    »Ich habe nicht so viele Freunde«, erwiderte Tanja zurückhaltend. »Genaugenommen gar keine«, fügte sie leise hinzu.
    Keine Freunde? Das konnte Michaela sich nicht vorstellen. »Was machst du denn an deinem Geburtstag?«
    »Nichts. Es ist ein Tag wie jeder andere auch.« Tanja versuchte ihrer Stimme einen festen Klang zu geben.
    Doch Michaela vernahm, wie sie leicht flatterte. Sie seufzte. Da hatte sie ja wieder richtig zugelangt! Offensichtlich war es ihre Spezialität, in Tanjas Wunden herumzustochern. Sie legte ihre Hand auf Tanjas. »Du musst dir unendlich einsam vorkommen an so einem Tag«, sagte sie mitfühlend.
    »Wie gesagt, es ist ein Tag wie jeder andere.«
    Michaela verstand. Tröstend strich sie über Tanjas Hand. Diese junge Frau war so anders, als sie es sich vorgestellt hatte. Ihrem Wesen fehlte jede Spur von Anmaßung, wie andere Töchter gut situierter Eltern sie gern an den Tag legten. Tanja war auch nicht zornig oder verbittert, wie Michaela nach dem, was Walter Kanter erzählt hatte, befürchtet hatte. Tanja war einfach nur sensibel – und verletzt. In ihrer wie andere sicher meinten rosigen Welt, fehlte eine entscheidende Komponente: Wärme.
    »Wie wäre es?« fragte Michaela. »Wollen wir gemeinsam auf Geschenksuche gehen? Du musst ja vor Ideen förmlich übersprudeln. Ich tue mich da ehrlich gesagt auch immer etwas schwer.« Sie würde Geld für umsonst ausgeben, aber das war Michaela in diesem Moment egal. Sie wollte Tanja einfach eine kleine Freude machen.
    »Meinst du das ernst?« Tanjas Augen leuchteten.
    »Natürlich. Sonst würde ich es doch nicht vorschlagen.«
    Tanja lächelte scheu. »Ich würde gern mitkommen.«
    Michaelas Vermutung bestätigte sich. Tanja schöpfte aus einem reichen Pool mit Geschenkideen. Sie zog Michaela in fast jedes Geschäft, immer auf der Suche nach charmanten, witzigen oder originellen Dingen. Ob Sport-, Schmuck- oder Kosmetikboutique, Elektronik- oder Schreibwarenladen, fast überall fand Tanja eine Kleinigkeit. Allein der Gedanke, ein Geschenk für jemanden zu kaufen, der sich darüber freuen würde, auch wenn sie die Person nicht einmal kannte, machte Tanja so viel Spaß, dass ihr Gesicht richtig Farbe bekam. Ihr Lächeln währte länger als nur einen scheuen Augenblick, und ihre Augen begannen zu funkeln. Sie gingen sogar in ein Spielzeuggeschäft. Zuletzt stöberten sie eine knappe Stunde in einem Buchladen.
    Anschließend verschnauften sie in einem kleinen Café. Neben ihren Stühlen standen die vielen Einkaufstüten, gefüllt mit nützlichen und weniger nützlichen Dingen. Sie bestellten Kaffee. Michaela betrachtete nachdenklich Tanja, die ihr glücklich strahlend gegenübersaß. Glücklich, aber auch mit dem Ausdruck der Gewissheit im Gesicht, dass ein schönes, seltenes Erlebnis nun bald vorbei sein würde. Die Traurigkeit darüber begann bereits Tanjas Blick zu verdunkeln.
    Michaela schmunzelte in sich hinein. Nicht nur, weil sie wusste, dass Tanja sich unnötige Gedanken machte, sondern weil sie eine Überraschung für Tanja hatte. Sie holte eine kleine, hübsch verpackte Schachtel aus ihrer Jackentasche hervor, legte sie auf den Tisch und schob sie langsam zu Tanja hinüber. »Für dich.«
    Tanjas Augen staunten Michaela an, wie ein Kind,
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