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...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst

...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst

Titel: ...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst
Autoren: Julia Arden
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Prüfung.«
    Nicht das auch noch! Michaela stöhnte. »Aber in Ihrer Verfassung können Sie doch keinen klaren Gedanken fassen.«
    Tanja straffte sich. Sie sah Michaela an. »Ich werde es müssen«, sagte sie fest und machte Anstalten, wieder in ihren Wagen zu steigen.
    Michaelas Augen folgten ihr halb überrascht, halb entsetzt. Eine ziemlich plötzliche Veränderung, die da durch Tanja ging. Bedeutete das, sie hatte den Schock überwunden? Oder war es nur der simple Versuch, Haltung zu bewahren? So oder so, wenn Tanja an der nächsten Ecke wieder zusammenklappte und endgültig zusammenbrach, konnte sonst was passieren.
    Hastig stürmte Michaela Tanja nach, drückte mit ihrer linken Hand gegen die Fahrertür, so dass Tanja die nicht einfach öffnen konnte. Rigoros sagte Michaela: »Gut. Aber ich fahre Sie hin. Auf keinen Fall lasse ich zu, dass Sie sich in Ihrem Zustand hinters Steuer setzen.« Sie wartete nicht auf Tanjas Antwort, sondern erstickte eventuellen Protest mit der Frage: »Haben Sie in Ihrem Wagen noch Sachen, die Sie mitnehmen wollen?«
    »Meine Collegemappe«, antwortete Tanja automatisch.
    Michaela streckte Tanja die Hand hin. »Geben Sie mir Ihren Autoschlüssel.« Tanja tat es. Michaela wies auf ihren BMW. »Bitte. Steigen Sie doch schon ein.« Tanja folgte der Aufforderung schweigend.
    Michaela parkte den Mini ein paar Meter weiter ein, nahm Tanjas Tasche und schloss das Auto ab. Dann ging sie zu ihrem Wagen.
    »Ich heiße übrigens Michaela Dietz«, stellte Michaela sich vor, während sie ebenfalls einstieg, reichte Tanja die Tasche und gab ihr den Autoschlüssel zurück. Dann ließ sie den Motor an. »Welcher Weg ist der beste zur Uni?«
    »Tanja Kanter«, erwiderte Tanja. »Fahren Sie einfach auf die Stadtautobahn.«
    Michaela fuhr los, beobachtete dabei Tanja aus dem Augenwinkel. Die machte mittlerweile zwar einen gefassteren Eindruck, schien sich von dem Schock aber immer noch nicht ganz erholt zu haben.
    »Ist es eine schwere Prüfung, die Sie da heute haben?« fragte Michaela. Sie wollte Tanja von dem Crash ablenken, der sie ganz offensichtlich an einen Unfall erinnerte, den sie als Kind gehabt hatte.
    »Wirtschaftsrecht.«
    »Sind Sie gut darin?«
    »Ja.«
    »Dann sind Sie wohl nicht sonderlich nervös?«
    »Nein.«
    »Sie Glückliche. Ich war in meinem Studium vor Prüfungen immer nervös.«
    Tanja ging nicht auf Michaelas Bemerkung ein. Sie fragte auch nicht, was sie denn studiert habe. Sie saß einfach schweigend da.
    »Entschuldigung, wenn ich so viel rede. Aber ich glaube, ich bin etwas nervös wegen unseres Zusammenstoßes. Ist Ihnen wirklich nichts passiert? Sie sehen immer noch ganz mitgenommen aus.«
    »Meine Mutter kam bei dem Unfall damals ums Leben«, sagte Tanja jetzt.
    Michaela biss sich auf die Lippen. »Und Sie saßen mit in dem Wagen?« fragte sie leise.
    »Ja.«
    »Das tut mir leid.«
    »Schon gut.« Tanja lächelte schwach. »Es ist zwanzig Jahre her.«
    »Vielleicht wäre es trotzdem besser, Sie verschieben Ihre Prüfung. Wir könnten im Sekretariat Bescheid geben, und Sie bekommen einen anderen Termin. Ich regele das.«
    »Nein, nicht nötig. Ich schaffe das schon.«
    »Sicher?«
    »Ja.« Tanja nickte fest. »Ganz sicher.«
    Michaela bewunderte die Willenskraft, die offensichtlich in dieser schmalen, blassen Gestalt steckte. Ja, sie konnte sich vorstellen, dass dort die Quelle eines Widerstandes saß, die Walter Kanter hilflos machte. Immerhin brachte Tanja es fertig, nach einem Erlebnis, das sie an ein Trauma ihrer Kindheit erinnerte, einfach zur Tagesordnung überzugehen. Vermutlich war es auch diese Willenskraft, die Walter Kanter nicht an ein Nachgeben seiner Tochter glauben und ihn seinen Plan aushecken ließ. Michaela konnte nicht umhin zu vermuten, dass er damit die Situation richtig einschätzte.
    Michaela lieferte Tanja gerade noch rechtzeitig vor der Uni ab. »Kommen Sie anschließend in die Cafeteria. Ich warte dort auf Sie«, rief sie Tanja hinterher.
    Nach einer nervenraubenden Parkplatzsuche fragte Michaela sich zur Cafeteria durch, fand einen freien Tisch und setzte sich so, dass sie den Eingang im Blickfeld hatte.
    Sie atmete tief ein, spürte die Anspannung, unter der sie die letzte Dreiviertelstunde gestanden hatte, langsam von sich abfallen. Die erste Hürde war genommen. Sie hatte Tanja Kanter kennengelernt – und war beeindruckt. Sie sah sich einer sehr scheuen jungen Frau gegenüber. Scheu, aber nicht kleinmütig. Walter Kanter hatte es ja
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